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Vier Szenarien: Verlage, Internet und Leistungsschutzrecht

08.04.2010 Ein neues Leistungsschutzrecht zur Homepage dieses Unternehmens Relation Browser soll das Geld in die Kassen der Verlage spülen, das sie mit Onlinewerbung nicht verdienen. Doch die iBusiness-Szenarien belegen: Der Traum der Verleger könnte auch ihren Niedergang beschleunigen.

 (Bild: SXC.hu/sanja gjenero)
Bild: SXC.hu/sanja gjenero
 (Bild: SXC.hu/sanja gjenero)
Bild: SXC.hu/sanja gjenero
Film- und Musikproduzenten haben es, Hersteller von Datenbanken ebenso wie Sendeunternehmen: Ein Leistungsschutzrecht, das sie als 'Werkmittler' identifiziert und ihnen ein Schutzrecht vor Konkurrenz und Trittbrettfahrern einräumt. Seit geraumer Zeit kämpfen Verleger dafür, dass der Gesetzgeber auch ihnen ein solches Schutzrecht auf den dürre gewordenen Leib schneidert.

Es ist ein Investitionsschutzrecht, mit dem der Gesetzgeber einem Werkmittler für gewisse Zeit sogar monopolartigen Charakter zuspricht: Der Filmproduzent muss erst viel Geld aufwenden, bis geplant, geschrieben, dann verfilmt, geschnitten und gespeichert werden kann. Die anschließend vertriebenen Kopien sind vergleichsweise billig herzustellen. Ein Schutzrecht für einen bestimmten Zeitraum verleiht solchen Investitionen unter speziellen Marktbedingungen erst Sinn.

Allerdings sind solche Leistungsschutzrechte bislang ausschließlich für Werke verfügbar, die einen einmaligen Charakter haben: Eine Datenbank, eine Musik-CD, ein Film. Die Verleger wünschen sie nun auch für kontinuierlich erscheinende Produkte - Zeitungen, Zeitschriften und vor allem: Webseiten.

Auffällig an der Debatte ist darüber hinaus, dass die Verleger zuvor Jahrzehnte recht ordentlich ohne ein spezielles Leistungsschutzrecht ihr Auskommen fanden. Sie feilschten Journalisten, Autoren und Fotografen deren urheberrechtliche Nutzungsrechte ab und verwerteten sie in Zeitungen und Zeitschriften weiter. Seitdem die alten Geschäftsmodelle in gleichem Maß erodieren wie Abonnenten und Verkäufe (damit Auflagen sowie Anzeigenerlöse), zugleich aber im Netz neue Modelle der Werbefinanzierung nicht die Erlöse erzielen, die Verleger für hinreichend erachten, rufen sie: "Leistungsschutzrecht - wir auch!"

Zur Versachlichung der Diskussion kann eine Untersuchung von möglichen Szenarien helfen: Was würde denn passieren, wenn sich die Verlage mit ihrem Ansinnen des Leistungsschutzrechtes durchsetzen?

Leistungsschutz-Szenarien


  • Szenario eins: Google zahlt. Der Gesetzgeber schafft die Grundlagen, nach denen eine Verwertungsgesellschaft aufgebaut wird. Nach dem Rechtsverständnis der Verleger ist Google der größte kommerzielle 'Weiterverwerter' ihrer Rechte an Nachrichten, Reportagen, Meldungen, usw. Entsprechend wird eine der ersten Amtshandlungen der neuen Verwertungsgesellschaft für das Leistungsschutzrecht darin bestehen, eine hohe Rechnung an Google zu schicken.

    Folge: Google zahlt nicht, wirft aber sämtliche relevanten Inhalte von Verlagen aus der Indexierung. Da weitererzählte Neuigkeiten auch zu den Unterhaltungen der Netzgemeinde via Blogs und sozialen Netzwerken gehören, kann die Suchmaschine weiterhin zu News verlinken. Verlage aber profitieren nicht von der Entwicklung - im Gegenteil: Gründung und Aufbau der Verwertungssgesellschaft haben mehr Geld verschlungen als sie nun von kleineren gewerblichen Lesern einstreichen. Vorübergehend werden die Portale der Verlage dramatisch an Reichweite im Netz verlieren, weil ihnen der 'Zulieferer' von Nutzern fehlt: Google. Experten schätzen, dass Google für mehr als zwei Drittel des Traffics bei den Nachrichtenportalen verantwortlich ist. Entsprechend sinken dann die Anzeigenerlöse um diesen Faktor ab. Eine längere Auseinandersetzung endet bestenfalls mit einem Kompromiss auf sehr viel niedrigerem Niveau für Verlage. Der Niedergang wird beschleunigt.

  • Szenario zwei: Die Unternehmen zahlen. Die Großen kassieren. Die Grundlage bereitet wiederum das Leistungsschutzrecht durch den Gesetzgeber. Auch in diesem Szenario schaffen die Verlage eine Verwertungsgesellschaft, die Gebühren von den 'gewerblichen Lesern' eintreibt und anschließend an die Rechteinhaber verteilt.

    Beschlossen wird in dieser Variante: Der Gesetzgeber nimmt auf Vorschlag der Verlage an, dass 'gewerbliche Leser' im rechtlichen Sinne alle die Nutzer sind, die durch Informationen aus dem Netz einen Wettbewerbsvorteil im Markt erlangen können. Also praktisch fast alle modernen Wirtschaftszweige könnten hier betroffen sein.

    Die Einnahme-Rechnung der 'VG Internet': Derzeit verfügen in Deutschland rund 40 Millionen Beschäftigte über einen festen Arbeitsplatz. Davon sind inzwischen mehr als die Hälfte der Arbeitsplätze mit PC und Internetanschluss ausgestattet (Zahlen des Statistischen Bundesamtes). Was als Bezugsgröße gut 20 Millionen potenzielle Kopfpauschalen für die 'VG Internet' ergibt. Zahlen müssen am Ende natürlich die jeweiligen Unternehmen. Legt man eine Pauschale pro Arbeitsplatz von 100 Euro zu Grunde, ergibt das eine Gesamtsumme von zwei Milliarden Euro für die Verlage.
    Auf der Seite der Empfänger stehen laut Stamm zur Homepage dieses Unternehmens Relation Browser alleine über 25.000 Titel, die in diesem Fall die Hand aufhielten. Bereits bei diesen Ausgangsgrößen blieben pro Verlag nurmehr im Durchschnitt 80.000 Euro pro Jahr auf dem Konto hängen. Allein die Tageszeitungen haben aus 134 selbstständigen publizistischen Einheiten einen Erlös aus Vertrieb, Werbung und Beilagen von 9,09 Milliarden Euro erzielt. Dazwischen klafft eine Lücke.

    Folge: Allein die Rechnung geht schon nicht auf. Soll das Leistungsschutzrecht tatsächlich Verluste aus den anderen Bereichen wenigstens ausgleichen, fehlen Milliarden. Zunächst werden die Unternehmen Sturm laufen, die von der Verwertungsgesellschaft zur Kasse gebeten werden sollen. Druck dürfte über die Wirtschaftsverbände auf die Politik ausgeübt werden, dass eine solche zusätzliche Abgabe in wirtschaftlich schwierigen Zeiten nicht durchsetzbar sei.

    An der juristischen Formulierung des Begriffs 'Werkmittler' wird noch gefeilt. Doch ungeachtet der genauen Bestimmung sind Klagen programmiert: Warum sollten nur Verlage vom Leistungsschutzrecht profitieren? Warum nicht Netzportale von Journalisten? Warum nicht sogar einzelne Blogger, wenn sie journalistische Beiträge periodisch und regelmäßig zur Verfügung stellen?
    Die wahrscheinliche Beschränkung durch die Einführung von Begriffen wie bereitzustellende 'Infrastruktur' und 'Logistik' als notwenige Voraussetzung für einen professionellen 'Werkmittler' wird nicht durchsetzbar sein: Zu maßgeschneidert wirkt das.

    Weitere juristische Fallen lauern im Gleichheitsgrundsatz aus dem Grundgesetz ebenso wie Meinungsvielfalt und -freiheit. Darüber hinaus dürfte eine Verengung auf große Verlage dem Kartellrecht widersprechen. Bis Betroffene den Instanzenweg bis hin zum Europäischen Gerichtshof ausgeschöpft haben, vergehen eher Jahre als Wochen. In dieser Zeit müsste die Verwertungsgesellschaft ihre Geschäftstätigkeit ruhen lassen. Denn in Ruhe kassieren könnte sie nicht.

  • Szenario drei: Unternehmen zahlen. Alle kassieren. Schon bei der Gründung der neuen Verwertungsgesellschaft zeichnen sich Probleme ab: Statt nur der großen Verlage als Mitglieder melden sich auch Blogger und Kleinst-Selbstvermarkter aus dem Netz und wollen mit in den neuen Club (siehe auch Szenario zwei).

    Auch die Erhebung und Prüfung durch die neue Verwertungsgesellschaft bei den gewerblichen Nutzern dürfte schwierig werden: Muss zu jedem Betrieb der Prüfer kommen und PCs zählen? Muss er auch die multimediafähigen mobile-Web Handys auflisten, die dort verwendet werden? Oder wird mit neuer Software nach textuellen und bildlichen Übereinstimmungen im World Wide Web gefahndet? Eine selbst formulierte Zusammenfassung eines fremden Artikels etwa stellt nach dem Urheberrecht schließlich eine schöpferische Eigenleistung dar. Daran ändert auch ein Leistungsschutzrecht nichts.

    Folge: Die juristischen Auseinandersetzungen über Berechtigte einerseits und Zwangszahler andererseits enden zugunsten der vielen Kleinen: Sowohl der Entwurf der Verleger wie das Gesetz der Regierung enthalten so viele unscharfe Formulierungen, dass Gerichte sie mit Inhalten füllen müssen. Allein die Frage, ab wann ein Anspruch nach dem neuen Leistungsschutzrecht gegeben ist, dürfte mehrere Gerichte beschäftigen.

    Letztlich gilt aber hier die Linie, die das Bundesverfassungsgericht vorgibt: Zugunsten von Meinungsfreiheit und -vielfalt. Da aber so viele von den Erlösen aus dem Leistungsschutzrecht profitieren, sinkt der Anteil für jeden dramatisch. Die erhoffte Problemlösung für Verlage fällt aus, der Niedergang wird nur beschleunigt. Die skizzierten Schwierigkeiten befördern vor allem Arbeitsbeschaffung bei der neuen Verwertungsgesellschaft.

  • Szenario vier: Alle zahlen.Nach dem Aufbau der Verwertungsgesellschaft hat sich herausgestellt, dass die so erzielten Erlöse zugunsten einer 'qualitätsvollen Grundversorgung im Meinungsspektrum' von Verlagen nicht ausreichen. Da aber das Leistungsschutzrecht nun mal bereits in der Welt ist, braucht lediglich die Reichweite angehoben zu werden: Derzeit sollen ja nur gewerbliche Nutzer zur Kasse gebeten werden. Wenn das nicht reicht (und das wird es kaum, siehe Rechnung oben), verlangt der Gesetzgeber dann auch von Privatnutzern einen Obolus. Damit wird die Verwertungsgesellschaft zu einer Superbehörde, die riesige Summen verteilen muss.

    Folge: Der Streit über die Verteilung endet im Politischen, wo sie ohnehin durch den Gesetzgeber liegt. Ein öffentlich-rechtliches Konstrukt wird am Ende der Entwicklung stehen, deren Einfluss wiederum vor allem jenem gleichen wird, wie wir es von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten kennen. Zudem entsteht damit eine Art zweite GEZ, was das Original ebenfalls einer ordnungspolitischen Neubewertung zuführen muss. Damit aber wird für die politisch Handelnden die Causa vollends zum Himmelfahrtskommando, bei dem sie eigentlich nur verlieren können: Jede Diskussion wird die Frage aufwerfen, ob Parteien heute noch so erheblichen Einfluss in solchen Konstruktionen oder Institutionen behalten sollen. Machtverlust droht damit der Politik.
    Die Verbindung mit Zwangsgebühren macht das Thema für Wähler wenig attraktiv. Parteien, die das Thema vorantreiben, könnten mit Abwahl bestraft werden.

    Auch auf diesem Feld dürfte Arbeitsbeschaffung vor allem bei den Juristen anfallen. Darüber hinaus werden sich Nutzer und Verlage noch weiter voneinander entfernen, als ohnehin schon in der digitalen Welt. In diesem Szenario mag die Kasse klingeln, der Imageschaden für Verleger, die am Gängelband einer öffentlich-rechtlichen Monsterbürokratie hängen, wird gewaltig sein. Gerade Jüngere werden sich erst recht mit Grausen abwenden. Am Ende der Entwicklung stimmt weder die Finanzierung, und die Nutzer bleiben auch noch weg. Im zweiten Schritt fällt die Bedeutung der Verlage, klingelt dann auch die Kasse nicht mehr. Schließlich werden die Politiker abgewählt, die das Ganze auf den Weg gebracht haben. Zuvor bereits dürften Wirtschaftsverbände gegen zusätzliche Abgaben oder Gebühren Sturm laufen.
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