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Affiliate in Deutschland: Schwächelnder Markt mit Betrugs-Problem
27.03.2012 Zwar wächst der Affiliate-Markt in Deutschland - allerdings langsamer als der ihn tragende ECommerce-Markt, wie iBusiness-Analysen belegen. Doch nicht nur die Bedeutung schrumpft: Parallel wächst offenbar der Anteil, den Affiliate-Betrüger abgreifen.
- Obwohl der ECommerce-Markt in Deutschland nach Umsatz und Zahl der Unternehmen von Jahr zu Jahr wächst, hält der Affiliate-Markt nicht Schritt: Der Anteil des Affiliate-Umsatzes am Werbeaufkommen im E-Commerce sinkt seit 2009 sogar.
- Gleichzeitig wächst der Anteil der Affiliate-Betrüger und Ad-Hijacker. Mittlerweile wandert jeder siebte Euro in schwarze Kassen, der im Affiliate-Segment umgesetzt wird.
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Jetzt Mitglied werdenErstes Problem: Der Long Tail
Eigentlich ist es ein großer Vorteil in einem sich granulierenden ECommerce-Markt: In Deutschland ist die Zahl der Affiliate-Publisher extrem hoch. 605.000 Unternehmen und Freiberufler sind bei einem der zahlreichen Affiliate-Netzwerke registriert. Insgesamt werden sie im Jahr 2012 einen Affiliate-Umsatz von 553 Millionen Euro erwirtschaften. Das ist der Wert, den man bekommt, wenn man die aktuelle Prognose des Onlinevermarkterkreises OVK zum Affiliate-Netzwerkumsatz (415 Millionen Euro) nimmt und die netzwerkfreien Merchants hinzu addiert. Was rechnerisch für jeden Affiliate-Publisher einen durchschnittlichen Jahresumsatz von 915 Euro und für jedes Partnerprogramm von 475.000 Euro bedeutet.Das beweist, wie viele Micro-Businesses im deutschen Affiliate-Markt stecken - sowohl bei den Merchants mit ihren Partnerprogrammen, als auch bei den Affiliates. Diese "Publisher", wie die Branche Affiliate-Link-Schaltende bezeichnet, leben selbstverständlich nicht alle von ihrem Affiliate-Umsatz - manche allerdings schon. Zu den Publishern gehören SEOs ebenso dazu, die ihre Linkfarmen über Affiliate-Links refinanzieren wie große Onlineverlage sowie Buchautoren, die sich per Amazon-Link ein paar Euro zum Autorenhonorar dazu verdienen. Die meisten Publisher haben eine eigene Website, Uli Bartholomäus von Affilinet schätzt den Anteil auf zirka 90 Prozent. Die weiteren zehn Prozent verteilen sich auf unterschiedliche Publisher-Geschäftsmodelle wie SEA, E-Mail sowie Display Brokerage wie Postview und Retargeting.
Wie granular der Affiliate-Markt ist, zeigt sich, wenn man ihn mit dem reinen ECommerce-Markt vergleicht. In Deutschland existieren immerhin 371.000 Onlineshops - etwas mehr als die Hälfte der Zahl der Affiliates. Aus dieser doppelten Granularisierung des Marktes hat die Branche allerdings bislang kaum Schlussfolgerungen gezogen - von Umsatz ganz abgesehen. Stattdessen prügeln sich die wenigen großen Netzwerke. Jeder Programmbetreiber kommt beispielsweise bei Affilinet im Schnitt auf 2.000 Publisher, die seine Links platzieren dürfen. Umgekehrt hat hier jeder Publisher mit 120 Programmen ("Merchants") eine Partnerschaft.
Zweites Problem: Die kleine Nische
Das netzwerkübergreifende Affiliate-Portal 100 Partnerprogramme deckt nach Einschätzung von Eigner Karsten Windfelder annähernd 100 Prozent der Merchants ab, die bei einem Netzwerk gelistet sind - insgesamt 6.327 Programme. Daneben existieren noch Onlineshops, die ein eigenes, netzwerkunabhängiges Affiliate-Programm betreiben (beispielsweise iBusiness gehört dazu). Hier rechnet Windfelder die Zahl in Deutschland auf 5.340 hoch. Gerade einmal drei Prozent der deutschen Onlineshops betreiben danach Affiliate-Marketing. Angesichts des riesigen Potenzials mit granularen Marketingmethoden eine verschenkte Chance für die Affiliate-Branche: Sie sollte vielleicht mal anfangen, Produkte für kleine Shops zu entwickeln.Drittes Problem: Das langsame Wachstum
Doch auch bei den Affiliate betreibenden größeren und großen deutschen Onlineshops stagniert der Umsatz. Exakter: Der Affiliate-Markt insgesamt profitiert nicht von dem enorm hohen Wachstum des ECommerce-Segments in Deutschland. Vergleicht man das jährliche Affiliate-Wachstum mit dem Wachstum der restlichen Onlinewerbung sowie mit dem Onlinehandel, dann wird deutlich: Von niedrigem Niveau verlieren Merchants, Publisher, Netzwerke und Agenturen insgesamt gesehen an Boden. Der Boom geht am Segment vorbei. Insider aus dem Affiliate-Markt begründen den Rückgang mit dem härteren Konkurrenzkampf und den schrumpfenden Anteilen, die die Merchants ihren Publishern auszuzahlen bereit sind.Viertes Problem: Der sinkende Anteil
Dies wird deutlich, wenn man den Anteil des Affiliate-Umsatzes in Deutschland mit dem des ECommerce-Umsatzes in Deutschland korreliert, den der Bundesverband Versandhandel BVH jährlich vorlegt.Im Schnitt investiert jeder deutsche Onlineshop rund zehn Prozent seines Umsatzes in Werbung. Etwa ein Viertel dieses Werbegeldes fließt in den Affiliate-Markt: Nach drei Jahren in Folge, bei denen der Werbeanteil konstant bei rund 2,6 Prozent lag, sank der Anteil seit 2008 jährlich und wird 2012, so die Prognosen von OVK und BVH ein Viertel unter dem Anteil des Jahres 2009 liegen. Bei einem mickerigen Anteil von gerade noch 2,2 Prozent. Und wenn man hier nur den legalen Anteil betrachtet (sozusagen das Affiliate-Netto), dann liegt der Anteil unter zwei Prozent.
Fünftes Problem: Die steigende Kriminalität
Das Affiliate-Marketing hat ein Betrugsproblem: Mit Hilfe von Xamine hat iBusiness ermittelt, dass knapp jeder siebte Euro aus dem Affiliate-Marketing mit Fraud verdient wird. Betrüger bauen die Suchmaschinenanzeigen von Brands nach und bieten für die Kopien bessere Klickpreise als die Marke, der ausgelieferten Anzeige wird dann ein Affiliate-Cookie untergejubelt, um die Provision einzustreichen: Diese Methode treibt die Kosten für die Merchants um ein Vielfaches in die Höhe, weiß Peter Herold von Xamine: "In einem Fall, den wir uns angesehen haben, musste ein Merchant statt 384 Euro für SEA 6425 Euro für durch Fraud erzielte Affiliate-Provisionen zahlen - wir reden dabei von einem Zeitraum von 48 Stunden." Statt eines Werbeeuros hat der betrogene Merchant also 17 ausgegeben.Und die Betrugsquote wächst stark an: Waren vergangenes Jahr noch 18 Prozent der von Xamine beobachteten Brands von Fraud betroffen, so sind es in diesem Jahr 32 - also jede dritte Brand.
Wie hoch der Gesamtschaden für die deutschen Merchants ist, lässt sich hochrechnen: Zieht man den Schaden pro Brand heran und berücksichtigt, dass Xamine mit seinem Portfolio etwas über ein Drittel des Marktvolumens beobachtet, lässt sich der jährliche Schaden für den Gesamtmarkt hochrechnen.
Ermittlung des durch Affiliate-Fraud verursachten Schadens | ||
---|---|---|
Jahr | 2012 | 2011 |
Von Xamine analysierte Brands | 950 Brands | 550 Brands |
Tage Ad-Hijacking pro Kalendertag (Durchschnitt) | 120 | 68 |
monatlicher Schaden pro betroffenem Brand (Durchschnitt) | 8.110,08 ¤ | 6.893,57 ¤ |
jährlicher Schaden pro betroffenem Brand (Durchschnitt) | 97.320,96 ¤ | 82.722,82 ¤ |
Marktanteil Xamine | 36 Prozent | 26 Prozent |
Zugrundeliegende Annahmen | ||
Klicks pro Stunde (geschätzt) | 80 | 80 |
Conversion Rate (geschätzt) | 8% | 8% |
Affiliate-Provision pro Klick (geschätzt) | 4,50 ¤ | 4,50 ¤ |
ersparte Klickkosten (geschätzt) | - 0,10 ¤ | - 0,10 ¤ |
Hochrechnung | ||
Wirtschaftlicher Schaden pro Tag | 81.100,80 ¤ | 45.957,12 ¤ |
Wirtschaftlicher Schaden pro Jahr | 29.601.792,00 ¤ | 16.774.348,80 ¤ |
Hochgerechneter wirtschaftlicher Schaden in Deutschland pro Jahr | 82,2 Mio. ¤ | 64,5 Mio. ¤ |
Quelle: Xamine
Zugrundegelegt sind den Ergebnissen die gemessenen Frauds, sowie statistisch durchschnittliche Klicks pro Stunde, Konversionsraten und Provisionen. Vom Schaden wird ein geringer Betrag von zehn Cent abgezogen: Er steht für die SEA-Kostenersparnis, da im Fraudfall ja nicht der CpC für die Suchmaschinenanzeige fällig wird, sondern ausschließlich die Affiliate-Provision. Peter Herold geht jedoch davon aus, dass die Ersparnis mit zehn Cent schon großzügig angesetzt ist - de facto dürfte die Differenz noch größer sein und viele Merchants noch mehr draufzahlen. Der Xamine-Marktanteil beruht auf dem wertmäßigen Affiliate-Umsatz der ermittelten Marken, nicht der Zahl der am Markt aktiven Merchants.
Die Branche hat in der Vergangenheit immer wieder - mehr oder weniger halbherzig - versucht, dem Problem Herr zu werden. Sei es über einen Code of Conduct
(von dem es gleich zwei unterschiedliche gab), sei es über Gütesiegel
. Diese Aktivitäten haben vor allem eines nicht bewirkt: Dass die Zahl der schwarzen Schafe zurückgegangen ist. Das Gegenteil ist der Fall.
Jeder siebte Affiliate-Euro landet bei Betrügern
In Euro gesprochen stehen also durch Ad-Hijacking verursachte Schäden von 82 Millionen Euro pro Jahr. Das ist mit einem Plus von 27 Prozent im Vergleich zum Vorjahr ein Viertel mehr als 2010. Und das sind 15 Prozent des gesamten Affiliate-Umsatzes in Deutschland. Jeder siebte erwirtschaftete Affiliate-Euro wandert also in dunkle Kanäle.Nachtrag:Bei der Podiumsdiskussion auf der Affiliate Taktixx, an der neben iBusiness-Herausgeber Joachim Graf auch Affiliate-Agenturen und die Geschäftsführer mehrerer Netzwerke teilnahmen, wurde von den Branchenvertretern die ermittelten Werte mehrheitlich bestritten. iBusiness wird nun die für die einzelnen Netzwerke ermittelten Studienergebnisse an die jeweiligen Netzwerke weitergeben, damit diese die Daten intern prüfen können. So können wir sowohl die Studienergebnisse verifizieren als auch die Betrüger ermitteln. Denn das gemeinsame Ziel ist eindeutig: Daran zu arbeiten, dass man möglichst allen Affiliate-Betrügern das Handwerk legen kann.
Am: 27.03.2012
Zu: Affiliate in Deutschland: Schwächelnder Markt mit Betrugs-Problem
Es gibt sogar Branchen, in denen Markteilnehmer beim Aufruf ihrer Website die Affiliate-Cookies ihrer Mitbewerber im Hintergrund setzen und so eine Provision abkassieren, falls der Besucher sich später zu einem Kauf bei der Konkurrenz entschließen sollte. Alles schon leidvoll erlebt, und auf eine Strafverfolgung derartiger Betrüger sollte man besser nicht setzen, da die Staatsanwaltschaften mit solchen Problemen überfordert sind.
Am: 27.03.2012
Rechenfehler: Anteil des Affiliate Marketings liegt eher bei 20%
Der "Umsatz" im Affiliate Marketing sind ja Provisionen, dies lässt sich also nicht direkt mit dem E-Commerce Umsatz im Shop vergleichen. Vielmehr kann man aus den Provisionen hochrechnen, für welchen Anteil am E-Commerce Umsatz Affiliate Marketing maßgeblich war. Dann sieht die Rechnung gleich vollkommen anders aus.
Meine Rechnung:
> Ausgezahlte Provisionen im Affiliate Marketing ("Affiliate Marketing Umsatz") 2011 geschätzt: 500 Mio EUR
> angenommener Provisionssatz für Affiliate Marketing inkl. aller Kosten: 10% vom Umsatz
-> ergibt nach dem berühmten Dreisatz 500 Mio EUR / 10% = 5 Mrd EUR E-Commerce Umsatz der durch Affiliate Marketing vermittelt wurde.
Bei einem E-Commerce Gesamtumsatz von 25 Mrd. EUR entspricht das 20% des deutschen E-Commerce.
Selbst wenn man die Provisionen sehr gering auf 5% vom Umsatz ansetzt (was ich für unrealistisch halte) dann ergibt die Rechnung immer noch 2,5 Mrd EUR generierten Umsatz, also einen Anteil von 10%.
Insofern ist weder ein sinkender Anteil noch eine Wachstumsschwäche zu konstatieren, sondern Affiliate Marketing ist und bleibt einer der Wachstumstreiber im deutschen E-Commerce und darf in keiner seriösen Vertriebsstrategie fehlen.
Ralf Hein
Geschäftsführer
nonstopConsulting GmbH
www.nonstopconsulting.de
Am: 27.03.2012
Rechenfehler: Anteil des Affiliate Marketings liegt eher bei 20%
Der "Umsatz" im Affiliate Marketing sind ja Provisionen, dies lässt sich also nicht direkt mit dem E-Commerce Umsatz im Shop vergleichen. Vielmehr kann man aus den Provisionen hochrechnen, für welchen Anteil am E-Commerce Umsatz Affiliate Marketing maßgeblich war. Dann sieht die Rechnung gleich vollkommen anders aus.
Meine Rechnung:
> Ausgezahlte Provisionen im Affiliate Marketing ("Affiliate Marketing Umsatz") 2011 geschätzt: 500 Mio EUR
> angenommener Provisionssatz für Affiliate Marketing inkl. aller Kosten: 10% vom Umsatz
-> ergibt nach dem berühmten Dreisatz 500 Mio EUR / 10% = 5 Mrd EUR E-Commerce Umsatz der durch Affiliate Marketing vermittelt wurde.
Bei einem E-Commerce Gesamtumsatz von 25 Mrd. EUR entspricht das 20% des deutschen E-Commerce.
Selbst wenn man die Provisionen sehr gering auf 5% vom Umsatz ansetzt (was ich für unrealistisch halte) dann ergibt die Rechnung immer noch 2,5 Mrd EUR generierten Umsatz, also einen Anteil von 10%.
Insofern ist weder ein sinkender Anteil noch eine Wachstumsschwäche zu konstatieren, sondern Affiliate Marketing ist und bleibt einer der Wachstumstreiber im deutschen E-Commerce und darf in keiner seriösen Vertriebsstrategie fehlen.
Ralf Hein
Geschäftsführer
nonstopConsulting GmbH
www.nonstopconsulting.de
Zu: Affiliate in Deutschland: Schwächelnder Markt mit Betrugs-Problem
Zu: Affiliate in Deutschland: Schwächelnder Markt mit Betrugs-Problem
Als einer der Top3-Netzwerke im deutschsprachigen Raum mit über 1 Million Affiliate-Partnern können wir von SuperClix weder diese Zahlen, noch den Anteil und selbst nicht die Entwicklung bestätigen, wir freuen uns aber über die ermittelten "Studienergebnisse", die ja allen Netzwerken angeblich bereitgestellt werden soll. Zudem gibt es bei allen Netzwerken auch genügend Merchants, die SEM/SEA gestatten, dies wurde z.b. gar nicht berücksichtigt, und auch die Werte vom OVK zum Affiliate-Marketing in DE sind reine Schätzungen, und keine tatsächlich erfassten Daten, wie sonst üblich bei Branchenzahlen...
Grundsätzlich ist Affiliate-Marketing eine sehr wichtige Möglichkeit gerade für kleinere und mittlere Merchants/Partnerprogramm-Betreiber effektiv Werbung zu machen, und nur im Erfolgsfall diese Werbung bezahlen zu müssen. Einen solchen Vorteil haben alle anderen Werbearten nicht, und daher ist der Markt sehr wohl stark im Wachstum, auch wenn die OVK-Schätzungen nur einen kleinen Teil abbilden können und manche Netzwerke zwar Umsatz, aber auch Verluste einfahren, selbst mit den umstrittenen Methoden Postview und Retargeting.
SuperClix
Inh. und GF Marcus Lutz
Zu: Affiliate in Deutschland: Schwächelnder Markt mit Betrugs-Problem
Auch werden wir Ihnen gern die für uns erhobenen Daten für Ihr Netzwerk zur Verfügung stellen, damit sie diese gegenchecken, um den Affiliate-Markt gemeinsam weiter auszuleuchten.