Jetzt zum Vortrag anmelden
Agentur-Netzwerke: Vier Kooperationsmodelle für die Zukunft
24.04.2013 Das Netzwerk von Interaktivagenturen als Zukunftsalternative zur Fullservice-Agentur: Noch immer sind sie in der Branche eher die Ausnahme als die Regel. Zu Unrecht. Denn die Werbeagenturen leben seit Jahrzehnten vor, wie erfolgreich Agentur-Netzwerke sein können. Vier Ansätze sind für Interaktivagenturen am vielversprechendsten, zeigen die Erfahrungen der vergangenen Jahre.
HANDLUNGSRELEVANZ
|
Operativ |
Strategisch |
Visionär |
Technik |
|||
Medien |
|||
Wirtschaft |
|||
|
heute |
morgen |
übermorgen |
Die Kreativen hofften von dem Spezial-Knowhow der Netzeffekt-Strategen zu profitieren, umgekehrt glaubten die Münchner mit dieser Verbindung an ein schnelleres Wachstum und an die verbesserte Rekrutierung von Mitarbeitern. "Wir wollten das, was wir in den letzten acht Jahren erfolgreich praktiziert und dabei immer weiter gelernt haben - das Performance-Marketing - noch weiter entwickeln und auf breitere Beine stellen", sagte Netzeffekt-Geschäftsführer Bernd Stieber vor einem Jahr.
Wenn Performance- und Kreativagentur zusammenarbeiten
Von der "Kür der Synergie" sprach Stieber vor Jahresfrist. Und heute? "Die Zusammenarbeit hat sich sehr gut entwickelt", sagt der Mann von Netzeffekt und spricht von zwei bereits gemeinsam realisierten Projekten. Außerdem gebe es diverse Konzepte, die zurzeit mit unterschiedlichen Units der JVM -Gruppe für Pitches vorbereitet würden. "Wir sind die Performanceagentur und nutzen die Synergien durch Jung von Matt (JvM)", fügt Stieber hinzu. Und fährt fort: "Damit conversion-optimierte Performance-Werbemittel das Markenkapital nicht gefährden, müssen Performance- und Kreativagentur zusammenarbeiten.
Der erste Schritt dahin sei die Erkenntnis, "dass wir im selben Medium arbeiten, jedoch mit gänzlich unterschiedlichen Aufgaben betreut sind - die aber beide ihre Berechtigung haben." Diese unterschiedlichen Aufgaben müssen sich aus Sicht Stiebers auch in den Kennzahlen niederschlagen. Er hält fest: "Marken- und Produktkommunikation ist am erfolgreichsten, wenn Performance- und Kreativagenturen an einem Strang ziehen."
Auch das Agenturnetzwerk United Digital Group UDG, das vor zwei Jahren startete und seither als Dachnetzwerk von neun Interaktivagenturen agiert, schwört auf die Vorteile des gemeinsamen Vorgehens: "Die Agenturen der UDG ergänzen sich ideal und schaffen damit einen hohen Mehrwert für den Kunden: nämlich die komplette digitale Klaviatur und zwar aus einer Hand", sagt Simon Loebel
COO Digital Full Service bei der UDG.
Über die Chancen der Netzwerk-Kooperation gehen die Meinungen auseinander. Gerade kleinere Agenturen sehen Vorteile. So beispielsweise Jens Wilhelm
von Wilhelm Innovative Medien
. Er glaubt, dass Synergien zwischen Werbung und PR einerseits und Interaktivagenturen andererseits in Zukunft die Regel werden. Denn er ist davon überzeugt, dass "kleine Agenturen sich sowohl technisch wie konzeptionell breiter als bisher aufstellen müssen". Und zugleich müssten klassische Kommunikationsagenturen technischer werden. "Da die Anforderungen der Kunden immer komplexer werden, ist ein Überleben in der Nische für beide Agenturformen getrennt voneinander unwahrscheinlich", ist Wilhelm überzeugt.
Ganz anders die Erfahrung von Marco Zingler
, Geschäftsführer bei Denkwerk
und zugleich Vorsitzender der Fachgruppe Agenturen im BVDW
: "Eine echte Kooperationsstrategie mit Interaktivagenturen ist bei den klassischen Werbern in den letzten Jahren nicht zu erkennen", so Zingler. Das Gegenteil sei der Fall. Klassische Werbeagenturen versuchten "eigene Kompetenzen im Interaktivbereich aufzubauen - insbesondere in Bereichen mit wenig technischer Komplexität wie Bannerproduktion und Microsite-Entwicklung". Das gelinge den Klassikern allerdings nur mit "recht unterschiedlichem Erfolg", resümiert Zingler. Technisch anspruchsvolle, komplexe Projekte und digitale Spezialdisziplinen würden in den meisten Kundenbeziehungen immer noch von Interaktivagenturen und digitalen Spezialisten betreut. "Die Zusammenarbeit mit Werbeagenturen auf der einen Seite und Digitalagenturen auf der anderen Seite ist dabei leider eher von Konkurrenzgeist als von Kooperation geprägt", klagt Zingler.
Damit gestalten sich zumindest grenzüberschreitende Kooperationen nach wie vor eher schwierig und sind von Argwohn und Konkurrenzgeist geprägt. Es sei denn, es handelt sich um klassische Übernahmen wie bei der Netzeffekt/JvM-Liaison. Doch auch innerhalb der Interaktivbranche dreht sich das Kooperationsrad eher gemächlich. UDG ist dabei die bislang größte Ausnahme der Regel, dass die Interaktiven eher selten ihr Heil in der organisierten Zusammenarbeit suchen. Wenn aber, dann garantiert entlang folgender Kriterien:
- Recruiting: Nachwuchskräfte und Personalkonzepte
- Innovationskraft: Trendschmiede statt Trendscout
- Portfolio-Abdeckung: Dienstleistung aus einer Hand
- Modelle: Wettbewerb und Synergien
Weil selbst Großagenturen heute unmöglich noch alle Kompetenzen unter einem Dach bereithalten können und selbst Spezialagenturen heute für verschiedene neue Themen Partner brauchen, gilt für den Chef von Achtung , Mirko Kaminski , nach wie vor: "Der Trend geht hin zu Netzwerken, in denen Kompetenzen vorhanden sind." Agenturen würden daher eher mehr und mehr zum "Bauleiter von Kommunikationsarchitektur" und holen die Gewerke und Feinkompetenzen, die gerade benötigt werden, hinzu.
Nach wie vor geht es um "Spezialisierung versus Größe", sagt Finnwaa -Chef Andreas Hörcher , der hier interdisziplinäre Verbindungen, egal ob über Wertschöpfungskette, über Regionen oder Themen, für möglich hält. Dabei gelte das Prinzip des stetigen Wachsenmüssens. "Denn nur wer über eine gewisse Größe verfügt, wird überhaupt wahrgenommen", betont Hörcher.
Entlang der Kriterien sieht es wie folgt aus:
1. Recruiting: Als Stifter für die Forschung und den Nachwuchs
Die einen sprechen vom positiven Einfluss der Kooperation auf das Personalkonzept, weil es "unseren bestehenden und potenziellen Mitarbeitern Sicherheit und Vertrauen bietet", wie Bernd Stieber bestätigt.Gerade weil in der gesamten Interaktivbranche der Kampf um qualifizierte Experten besonders hart ist, werden breit angelegte Aktivitäten auf sehr unterschiedlichen Gebieten wichtig, um eben diese Talente aufzuspüren. "Neben der hiesigen Agenturlandschaft und den zahlreichen Events, rekrutieren wir über verschiedene Social-Media-Plattformen und über die persönlichen Kontakte unserer Spezialisten", erzählt Stieber. Es finde kontinuierlich ein reger Austausch zwischen den unterschiedlichen JvM-Beteiligungen statt.
Die anderen unterstützen die Ausbildung und agieren als Stifter, wie Finnwaa
und das Agenturnetzwerk Socialmarketingagentur.com
, die in Kooperation mit E-Commerce-Unternehmen, Privatpersonen und der STIFT Thüringen
eine Stiftungsprofessur für E-Commerce an der Ernst-Abbe-Fachhochschule Jena (EAH Jena)
fördern. In Kooperation sind solche Projekte deutlich einfacher zu stemmen als das eine einzelne Agentur leisten könnte.
"Mit der Stiftungsprofessur gelingt es, Wissenschaft, Bildung und Wirtschaft noch enger zu verzahnen", freut sich Hörcher. "Studenten lernen mit sehr engem Praxisbezug und die Wirtschaft erhält neue frische Impulse. Gemeinsam mit der EAH bilden wir qualifizierte Nachwuchskräfte aus und unterstützen die Innovationskraft des Standortes Jena sowie seine Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit langfristig."
Für den Fachkräftenachwuchs will das Agenturnetzwerk United Digital Group "ein attraktiver Arbeitgeber sein", wie Simon Loebel auf iBusiness-Nachfrage erklärt. Als Agenturgruppe könne man eine "große Spannbreite an interessanten Kunden und damit verbundenen Projekten bieten", so Loebel, was auch die stete Weiterentwicklung jedes Mitarbeiters erlaube. Dies gelänge oft in kleinen Agenturen nur eingeschränkt.
Und Loebel zieht noch einen weiteren Trumpf aus dem Ärmel: Gerade für Berufseinsteiger liefere das UDG Traineeprogramm "durch das Kennenlernen unterschiedlicher Standorte und Spezialgebiete sehr umfangreiche Einblicke und Kenntnisse." Eine hohe Ausbildungsquote in den jeweiligen Agenturstandorten sorgt laut Loebel für einen weiteren Pluspunkt im Nachwuchskräftebereich.
Auch Thomas Praus
von Panorama 3000
schätzt den Wert von Kooperationen, wie seine Agentur dies in dem Euro-Netzwerk Box Network
unterhält, für die Personalentwicklung. "Die Aussicht, einige Zeit in einer anderen Firma, in einem anderen Land, zu verbringen, macht eine Agentur als Arbeitgeber attraktiv", ist Praus überzeugt.
2. Innovationskraft: Agenturnetzwerke nutzen Knowhow-Vorsprung
Beim Thema Innovationskraft sieht sich die UDG gut aufgestellt. Durch die jeweilige Spezialisierung jeder Agentur und durch "interne Schulungsmaßnahmen", wie etwa die UDG Academy, bleibe dieses Spezialwissen aber "nicht zwangsläufig einem kleinen Personenkreis vorbehalten", erklärt Loebel. Das Netzwerk biete eine Plattform, um das vorhandenes Knowhow auf effiziente Weise zu teilen.Bei Netzeffekt ergibt sich die Innovationskraft "durch unsere breite Aufstellung, sowie durch die Vernetzung der verschiedenen Bereiche der JvM-Gruppe", meint Stieber. Konkret sind dies regelmäßige Workshops, "in denen jede Agentur ihr Aufgabengebiet vorstellt und mit den anderen Beteiligungen diskutiert." Ein Beispiel: Workshop für Berater, um zu zeigen wie man Performance-Marketing mit Marke besser zusammenbringen kann, so dass Vertriebs- und Markenziele stärker ineinandergreifen und sich gegenseitig verstärken.
Durch diese "gegenseitige Befruchtung" entstünden innovative Kampagnen, die immer im Einklang mit der Marke und der Unternehmenskultur des Kunden stattfinden, betont Stieber, der zudem darauf verweist, dass der Service-Design-Ansatz bei Netzeffekt bereits seit Gründung fest verankert ist. "Bei allen Projekten werden unsere Kunden intensiv in den Gestaltungsprozess der Kampagnen eingebunden." Die Bereiche IT, Creative und Consulting arbeiten Hand in Hand, so Stieber.
Mit dem Thema Innovationskraft muss nach Ansicht von Hörcher behutsam umgegangen werden. So komme es in Zeiten, in denen das eigene Thema nicht so trendig ist wie ein anderes, trotzdem darauf an, dass die eigene Initiatormarke als eine Art Dachkonstruktion mit einfließt. Denn sobald meine Ursprungsmarke mitgenannt wird, hab ich meinen Effekt." Und dies sei wertvoll. Gerade in Zeiten, in denen etwa Mobile den Markt stärker bewegt als Suchmaschinenmarketing.
3. Portfolio-Abdeckung: Kein Königsweg in Sicht
Den Spagat zwischen Spezialisierung und Full Service sieht Andreas Hörcher auch weiterhin - die Spannbreite reicht vom klassischen Modell der Zusammenschlüsse und Fusionen, über Kooperationen und Beteiligungen. Oder auch das Modell sich gemeinsam zu vermarkten, wie dies in der Jenaer TowerByte passiert. Es sei schlicht "eine unternehmerische Entscheidung, welchen Weg man als Inhaber, Gründer oder Lenker perspektivisch gehen möchte." Einen bestimmten Königsweg könne man nicht favorisieren.Nach wie vor spricht Hörcher aber auch von einer Herausforderung, wenn es um Kooperationen zwischen den klassischen und Interaktiven geht, "weil die Branche digital anders tickt als klassisch", so Hörcher. Und dennoch zeichnet sich eine "sukzessive Bewegung" am Horizont ab, beobachtet der Finnwaa-Mann. Ob diese eher von Kunden getrieben wird oder von den Agenturinhabern beruht für ihn meist auf einer Mischkalkulation.
Bei Netzeffekt arbeitet man "immer gerne an einem Case, bei dem wir die gesamte Klaviatur bespielen und präsentieren können", wie Stieber bestätigt. Nur leider sei es noch oft so, "dass eher viele verschiedene Experten für unterschiedliche Projekte herangezogen werden." Die Zusammenarbeit mit Partner JvM trage dazu bei, die verschiedensten Disziplinen abzudecken und gemeinsam kreative Kampagnen zu realisieren.
Erwartungsgemäß spricht die UDG davon, dass der Erfolg letztlich in der immer weiter zunehmenden Vernetzung liegt. "Die Kunst besteht darin, das Vorgehen zentral orchestrieren zu können", so Loebels Sicht der Dinge.
Exakt. Denn je mehr versiertes Personal in der Agentursteuerung arbeitet, "umso eher werden verschiedene Spezialdienstleister beschäftigt und selbst koordiniert", meint Thomas Praus als Vertreter einer kleineren Agentur. Je weniger Auftraggeber dieses selbst bewältigen können, umso mehr vertrauen sie einem starken Partner, der alles zusammen anbietet. Insgesamt betrachtet sieht Praus aber eher einen Trend zur Spezialisierung.
Das Marktzahlen-Archiv ist ein Premium-Service von iBusiness. Werden Sie Premium-Mitglied, um dieses Chart und viele tausend weitere abzurufen.
Jetzt Mitglied werden4. Neue Geschäftsmodelle: In der Konvergenz liegt das HeilDie Rettung für die Interaktivagenturen liegt künftig nicht nur im starken Wachstum. Wie iBusiness analysiert hat (Das eigentliche Agentur-Geschäftsmodell der Zukunft
), werden vor allem die Konvergenzfelder innerhalb der Unternehmen immer wichtiger; sodass das eigentliche Agenturen-Geschäftsmodell der Zukunft in der Konvergenz und deren Herausforderung für die Unternehmen liegt. Vor allem in der Kombination dreier wichtiger Trends liegt das Überlebenspotenzial der Interaktiven:
- das Zusammenwachsen von IT und Marketing,
- der Bereich Service-Design und
- die immer komplexer werdende Marketing-Software
Dass neue Agenturen-Geschäftsmodelle erschlossen werden, belegt auch die Studie des Think Tank Agenturen der Zukunft : Die bisherige Wertschöpfungskette wird demnach mit 54-prozentiger Wahrscheinlichkeit zerbrechen.
Nach der Studie werden im Jahr 2020 Projektgeschäfte die Hauptumsatzquelle von Agenturen sein. Nach Ansicht der Social Forecasting-Teilnehmer machen sie durchschnittlich 34 Prozent des Umsatzes aus. Retailer werden dann nur noch durchschnittlich 27 Prozent des Agenturumsatzes erwirtschaften. Alternative Geschäftsmodelle werden mit fast 40 Prozent zum Umsatz beitragen. So etwa erfolgsbasierte Bezahlungen (16 Prozent), Lizenzeinnahmen (neun Prozent), Beteiligungen an Start-ups und Honorare über Firmenanteile (acht Prozent) sowie die Vermarktung und der Verkauf eigener Produkte an Endkonsumenten (sechs Prozent).
Mit den Modellveränderungen werden sich auch die Arbeitsweisen verändern. Hier spielen die Bereiche Service-Design, Enterprise 2.0 und Co-Working-Spaces eine entscheidende Rolle. Neue Freiräume entstehen, die effizienter genutzt werden können. Auf diese Weise kann dem steigenden Wettbewerbsdruck begegnet werden.
Geschäftsmodelle für Agenturen |
---|
|
Agenturen müssten sich deutlich schneller anpassen, durchlässiger für Neues werden und brauchen andere Anreizsysteme, so fordert die besagte Studie. "Sie lassen sich von Netzwerken inspirieren, beginnen Mitarbeiter zu beteiligen und lassen sie stärker mitbestimmen." Die Wahrscheinlichkeit, dass Agenturen zukünftig aus einem Kernteam an Beratern und Projektmanagern plus Netzwerk an Freelancern und Spezialisten bestehen, liegt nach Ansicht der Teilnehmer des Social Forecastings bei 77 Prozent.
Erneuerung und Veränderung gehören ohnehin zur täglichen Herausforderung der Interaktiven: "Sich konstant zu verändern, aber mit einem erkennbaren Profil", so hat es Jochen Schlaier aus der Denkwerk-Geschäftsführung bereits gegenüber iBusiness formuliert. Denn es muss immer noch klar sein, wofür die Agentur steht, was ihre Kernleistung ist.
In puncto Kooperation sind gerade die Interaktivagenturen gut aufgestellt, glaubt Schlaier. Denn es ist Teil der Tradition ihrer Entstehung, in Teamkategorien zu denken. So entwickeln sich die Kunden-Agenturen-Beziehungen mehr denn je in diese Richtung des kollaborativen Modells, bei der jede Agentur ihre Spezialitäten in das Projekt einbringt.
Aber dieses Modell wird wohl auch in Zukunft vorerst keine grenzüberschreitenden Dimensionen annehmen. Somit ist das Signal des vergangenen Jahres wohl eher als eine Ausnahme anzusehen und es bleibt zu hoffen, dass sich hier über kurz oder lang ein anderer Geist durchsetzen wird.