Zum Dossier 'Temu-Strategie'
Forscher entwickeln Display, das an die Finger klopft
15.03.2019 Durch Klopfen oder Vibrieren kann das Display den Finger des Smartphone-Nutzers durch das Menü führen. Oder zu Tasten und Buttons, die an beliebiger Stelle entstehen und wieder verschwinden. Deutsche Forscher haben eine Folie entwickelt, die Touchscreens eine dritte Dimension verleiht.
Fährt der Smartphone-Nutzer mit der Fingerspitze über das Display, ist da an einer Stelle plötzlich ein Klopfen. Darunter entsteht wie von Zauberhand ein Button. Oder der Nutzer folgt dem Signal, das seinen Finger leitet, und er findet den Knopf auf diese Weise. Mit der neuen Technologie können Buttons bei Bedarf überall auf dem Bildschirm entstehen und verschwinden. Durch Vibration, Klopfen oder Stöße an die Fingerkuppe kann das Display seinen Nutzer zu ihnen führen. Damit eröffnen sich bei Computerspielen, der Internetsuche und auch für Navigationsgeräte neue Möglichkeiten.
Eine auf den ersten Blick unspektakuläre Silikonfolie - nicht unähnlich der handelsüblichen Frischhaltefolie - legt die Basis für eine neue Generation von Displays. "Es handelt sich bei der Folie um ein so genanntes dielektrisches Elastomer", erklärt Professor Stefan Seelecke, dessen Arbeitsgruppe für die Folien auf internationalen Konferenzen bereits mehrfach ausgezeichnet wurde.
Die Ingenieure drucken hierbei auf eine hauchfeine Kunststoff-Membran eine elektrisch leitfähige Schicht auf. Dadurch können sie eine elektrische Spannung anlegen: Die "Elektroaktivität" der Folie bedeutet, dass sie sich in der einen Richtung zusammenziehen und in die andere Richtung dehnen kann. "Aufgrund der elektrostatischen Anziehungskräfte drückt sich das Polymer zum Beispiel zusammen und dehnt sich nach außen hin aus", erläutert Steffen Hau , promovierter Ingenieur aus Seeleckes Team. Verändert der Forscher das elektrische Feld, vollführt die Folie verschiedenste Choreografien und gibt beliebige Signale: vom hochfrequenten Vibrieren über spezifische Impulse wie bei einem Herzschlag bis hin zu stufenlosen Hub-Bewegungen. In ihrem Prototyp, den die Wissenschaftler auf der Hannover Messe zeigen, haben sie die Folien mit einem Smartphone-Display kombiniert. Sie lassen so nicht nur virtuelle Buttons entstehen, sondern eröffnen dem Display zusätzliche Funktionen.
Mit einer Regelung über Algorithmen wird aus dem Stück Kunststoff ein technisches Bauteil, das die Ingenieure gezielt ansteuern können. em>"Wir setzen dabei die Folie selbst als Positions-Sensor ein. Das Display hat damit zugleich sensorische Eigenschaften. Weitere Sensoren benötigen wir nicht", sagt Steffen Hau. Die Forscher können jede einzelne Stellung der Folie exakt den entsprechenden Messwerten der elektrischen Kapazität zuordnen. Dadurch wissen man immer, wie sich das Polymer gerade verformt. Mit den Messwerten der elektrischen Kapazität können die Forscher auf die jeweilige mechanische Auslenkung der Folie rückschließen. Indem man die elektrische Spannung verändere, könne man die Folie präzise ansteuern. In einer Regelungseinheit lassen sich die Bewegungsabläufe exakt vorausberechnen und programmieren.
Da die Technologie ohne seltene Erden oder Kupfer auskomme, sei sie günstig in der Herstellung, verbrauche sehr wenig Energie und sei sehr leicht. Noch handelt es sich bei den elastisch verformbaren Kunststoff-Folien um Ergebnisse der anwendungsorientierten Forschung. Die Ingenieure suchen jetzt auf der Hannover Messe Partner aus Industrie und Unternehmen, um ihr Verfahren in die Produktion zu bringen.