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Zahlungsverhalten bei VerbraucherInnen stabil, Unternehmen schwächeln
14.06.2021 Das private Zahlungsverhalten hat sich als resilient gegenüber der Krise gezeigt. Dagegen zeigen sich im B2B-Bereich die Negativ-Folgen der Pandemie sehr deutlich. Hier werden in den nächsten Monaten verstärkt Zahlungsausfälle und mehr Insolvenzen erwartet.
Stückzahl neuer Forderungen unter dem Niveau von 2020
Die Situation sei durchaus paradox. Zwar leiden viele VerbraucherInnen unter den ökonomischen Folgen der Corona-Krise. Aber obwohl Jobverluste oder Kurzarbeit manche Einkommen reduzieren, haben die Privathaushalte keine größeren Verschuldungsprobleme bekommen, so Pedd. "Das ist im Inkassogeschäft deutlich spürbar. Die an unsere Mitgliedsunternehmen übergebenen Fälle haben zuletzt sogar eher abgenommen."Mehr als die Hälfte der Inkassounternehmen berichtet, dass die Stückzahl der an sie übergebenen Forderungen im laufenden Jahr 2021 unter dem Niveau des Jahres 2020 liegt. Auch das Forderungsvolumen, also die Geldwertsumme, die GläubigerInnen insgesamt zur Einziehung an die Rechtsdienstleister weiterreichen, ist leicht rückläufig, wie 42 Prozent der UmfrageteilnehmerInnen angeben. Fast genauso viele - 39 Prozent - sagen, das an sie übergebene Forderungsvolumen an offenen Rechnungen verändere sich derzeit kaum.
Viele haben in der Krise eine Entschuldung geschafft
Viele Menschen hätten die pandemiebedingt eingesparten Konsumausgaben in eine Entschuldung gesteckt und konnten sich so konsolidieren. Wenn private Schuldner derzeit nicht leisten können, ist laut Angaben von 73 Prozent der Inkassounternehmen des BDIU Kurzarbeit der Hauptgrund. Auch durch die Corona-Krise ausgelöste vorübergehende Liquiditätsengpässe (69 Prozent) beeinträchtigen die private Rechnungstreue.Da nur die wenigsten Forderungen nach der ersten Mahnung eines Inkassounternehmens beglichen werden, bedeutet die Krise kurzfristig mehr Aufwand für die Rechtsdienstleister. Zudem meldet jedes dritte Inkassounternehmen, dass Schuldner jetzt zögerlicher auf Erstanschreiben reagieren.
Starker Anstieg bei Verbraucherinsolvenzen wegen neuer Rechtslage
In den kommenden Monaten sei mit einem deutlichen Anstieg bei den Verbraucherinsolvenzen zu rechnen. Die Ursache dafür liege aber nicht in der Pandemie, wie Kirsten Pedd erklärt, sondern im Inkrafttreten von bereits vor Längerem beschlossener Gesetzesänderungen. Überschuldete Privatpersonen können inzwischen bereits innerhalb von drei statt vorher sechs Jahren eine sogenannte Restschuldbefreiung im Rahmen eines Verbraucherinsolvenzverfahrens erlangen. "Viele überschuldete Haushalte haben mit einem Antrag gewartet, um von der neuen Rechtslage und einem beschleunigten Entschuldungsverfahren zu profitieren", so Pedd. Dieser Rückstau löse sich nun auf.B2B-Zahlungsmoral: Liquiditätsprobleme nehmen zu
Während die Lage bei vielen privaten Haushalten gut ist, nehmen bei den Unternehmen die Probleme zu. Besonders betroffen von einer schlechten Zahlungsmoral ihrer KundInnen sind nach Erfahrung der Rechtsdienstleister die Dienstleistungsbranche allgemein (50 Prozent), Fitnessstudios (44 Prozent) sowie die Immobilienwirtschaft beziehungsweise Vermieter (36 Prozent - bei dieser Umfrage sind Mehrfachantworten möglich). Hauptgrund, warum gewerbliche Schuldner aktuell nicht zahlen, sind durch die Coronakrise ausgelöste Liquiditätsengpässe (83 Prozent) sowie Zahlungsausfälle bei eigenen KundInnen (73 Prozent) - das ist der Dominoeffekt, bei dem sich ein Forderungsausfall entlang der Lieferketten fortsetzt und so mehrere Akteure in Mitleidenschaft zieht.Es sei zu befürchten, dass es bei den Unternehmen in den nächsten Monaten verstärkt zu Zahlungsausfällen und leider auch zu mehr Insolvenzen kommen wird. Pedd verweist auf die wieder in Kraft getretene Insolvenzantragspflicht für überschuldete Firmen. "Das Aussetzen dieser Antragspflicht hat zusammen mit den staatlichen Corona-Hilfszahlungen viele Existenzen vorübergehend gesichert. Das waren gute Maßnahmen für den Erhalt wirtschaftlicher Stabilität. Aber sie können das Unvermeidliche nicht unbegrenzt aufschieben. Um die Lieferketten vor Dominoeffekten zu schützen, müssen Unternehmen ohne Aussicht auf Konsolidierung nun richtigerweise einen Insolvenzantrag stellen. Im Tourismussektor, der Gastronomie, dem Einzelhandel, der Kultur sowie im Sport- und Freizeitbereich wird das zu spüren sein." Pedd rät Firmen als notwendige Präventionsmaßnahme zu einem nachhaltigen und konsequenten Forderungsmanagement. Es komme darauf an, die Liquidität der GeschäftspartnerInnen zu kennen, um Risiken für Zahlungsausfälle so abschätzen zu können.