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Programmatic & Creatives: In vier Schritten zu relevanten DooH-Kampagnen
05.05.2022 Wie Programmatic-Technologie und die richtigen Creatives in der digitalen Außenwerbung optimal zusammenwirken: So kommen Marken in vier Schritten zu einer gut ausgesteuerten Kampagne.
Auch im Spezialbereich Außenwerbung gibt es eine ähnliche Konstellation: Hier ist mit Programmatic DooH ein sehr stark datenbasiertes Vorgehen längst möglich, aber im Markt dominiert nach wie vor die Annahme, dass DooH "groß und knallig" sein muss - also eher das Gegenteil von einem "feinsinnigen", differenzierten Ansatz, der auf die Kraft der richtigen Creatives setzen würde.
Tatsächlich ist die digitale Außenwerbung auch in dieser Debatte ein Sonderfall, denn hier hilft gerade die vermeintlich "nerdige" Programmatic-Technologie, die wahren Kreativpotenziale zu heben. Wie das möglich ist, zeigen die unten beschriebenen vier Schritte, die Markenverantwortliche mit Sinn für gute Creatives berücksichtigen sollten.
1. Tiefgreifende Analyse der Touchpoints in all ihren Facetten
Creatives können letztlich nur dann ihre volle und beabsichtigte Wirkung entfalten, wenn sie für die adressierte Zielgruppe die nötige Relevanz aufweisen. Der erste Schritt ist daher der genaue Blick auf den Touchpoint. Erst durch die aktuellen datenbasierten Technologien in der digitalen Außenwerbung wird es möglich, Fragen zu beantworten wie: Welche Besonderheit hat jeder einzelne Touchpoint? Welche Zielgruppe treffe ich dort zu welchen Zeiten an? Wie ist üblicherweise die Geschlechterverteilung? Gibt es bei den dort anzutreffenden Menschen Interessenschwerpunkte oder ein typisches Kaufkraft-Niveau?Um es konkret zu machen, hier einige beispielhafte Touchpoints mit äußerst unterschiedlichen Eigenschaften, an denen digitale Außenwerbung gebucht werden kann:
- Flughafen: Mit Fluggast-Targeting und Adressable Gate TV können gezielt Menschen mit bestimmtem Reiseziel oder Reisegrund angesprochen werden.
- Shopping-Mall: Hier gibt es so unterschiedliche Touchpoints wie solche direkt am POS, aber auch jene, die in einer Passagesituation, also im Vorbeilaufen wahrgenommen werden.
- Autobahn (zum Beispiel an Raststätten): Ebenfalls vor allem POS-Touchpoints, mit der zusätzlichen Eigenschaft, dass je nach Wochentag vor allem Geschäfts- oder Privatreisende angesprochen werden können.
- Wartezimmer von Arztpraxen und Ähnliches: Je nach Ärztegruppe unterscheidet sich die Zielgruppe. Bei GynäkologInnen und KinderärztInnen trifft man beispielsweise auf ein vorwiegend weibliches Publikum.
- Hochschulen: Hier findet man vorwiegend jüngere Zielgruppen mit hohem Bildungsniveau.
- Fitnessstudios: Je nach Touchpoint kann man hier mit einer vergleichsweise längeren Verweildauer arbeiten - z.B. bei Screens, die an Cardio-Geräten angebracht sind.
2. Berücksichtigung spezifischer Faktoren für die ausgewählten Touchpoints
Je nach Touchpoint kommen also sehr unterschiedliche Eigenschaften ins Spiel, die bei der Konzeption der Creatives unbedingt berücksichtigt werden müssen. Infrage kommen u.a. Faktoren wie die übliche Verweildauer (abhängig vom konkreten Ort des Touchpoints bzw. der Frage nach Warte- oder Passagesituation), die Nähe zum POS, die Wetterlage oder sogar die Nachrichten- oder Ereignislage sowie lokale Besonderheiten.Um es an einem Beispiel konkret zu machen: An Touchpoints, die typischerweise auf einen Betrachtungszeitraum von nur wenigen Sekunden kommen, müssen die Werbemittel anders konzipiert werden als bei einer längeren Verweildauer. Produkt und Botschaft müssen unmittelbar erkennbar und verständlich sein. Bei längerer Verweildauer hat man hier etwas mehr Spielraum, auch wenn das Ziel und die Kernbotschaft dennoch möglichst schnell verständlich werden sollte. Eine damit zusammenhängende Frage ist: Steht Branding oder Sales Uplift im Vordergrund der Kampagne? Die Creatives müssen dementsprechend und gleichzeitig in Abhängigkeit von der Verweildauer konzipiert werden.
Je nach verfügbarer technologischer Komplexität können die spezifischen Faktoren an den Touchpoints unterschiedlich "fein" berücksichtigt werden. Bei einfacheren Varianten der Werbemittelanpassung könnte das Vorgehen zum Beispiel so aussehen: Bei einem Targeting je nach Wetterlage werden mindestens zwei unterschiedliche Motive erstellt - zum Beispiel eines für Regen, eines für Sonnenschein und in der Kampagne hinterlegt. Über die DSP läuft während der Ausspielung der Kampagne ein Wettertargeting mit, auf Basis dessen entschieden wird, welches Werbemittel wann zum Einsatz kommt. Auf die gleiche Art können beliebige andere Third-Party-Daten einbezogen werden, z.B. der aktuelle Stand bei einem gerade stattfindenden Fußballspiel, die locationbasierte Verfügbarkeit von Mietwagen, die Anzahl noch verfügbarer Produkte/Angebote innerhalb spezifischer Geschäfte/POS oder Ähnliches.
3. Intelligente Bespielung der jeweiligen Touchpoints mit zugeschnittenen Inhalten
Kennt man die Touchpoints entsprechend genau, kann man im nächsten Schritt Themen und Inhalte finden, die vor dem Hintergrund der größtmöglichen Relevanz für das Publikum genau ins Schwarze treffen. Am besten lässt sich dies erneut an einem konkreten Beispiel demonstrieren, in diesem Fall eine Customer Journey aus dem Bereich Healthcare:Zunächst wird die Zielgruppe im Wartezimmer eines Arztes angesprochen. Das beworbene Produkt ist ein in Apotheken frei verkäufliches Arzneimittel, z.B. ein Erkältungsmittel oder Ähnliches. Bei den Screens im Wartezimmer kann man durch die Wartesituation üblicherweise mit einer längeren Verweildauer rechnen und die Wartenden sind prinzipiell aufnahmefähig. Entsprechend kann das Creative konzipiert werden und z.B. mithilfe von Bewegtbild eine kleine Geschichte erzählen. In einem solchen Werbemittel können auch relativ viele Informationen enthalten sein, u.a. der Hinweis, dass das Produkt in der Apotheke erhältlich ist. Wer besonders granular vorgehen möchte, könnte sogar auf die nächstgelegenen Apotheken im Umkreis hinweisen.
Ergänzt wird die Kampagne dann mit der Ansprache der VerbraucherInnen auf Screens in der Apotheke. Hier wird die Verweildauer deutlich kürzer sein und das Creative sollte vor allem auf die unmittelbare Aktivierung zum Kauf ausgerichtet sein, z.B. mit Hinweis auf Rabatt- und Sonderaktionen.
4. Die technischen Möglichkeiten voll ausschöpfen
Die vorherigen drei Punkte sind die notwendige Basis und geben einen Hinweis darauf, was mit Programmatic DooH technologisch möglich ist. Anschließend heißt es für Marken, der Kreativität freien Lauf zu lassen und bei den BetrachterInnen im Idealfall einen "Wow-Effekt" zu erzeugen. Ein besonders großes Potenzial, dies zu erreichen, bietet die Echtzeit-Anpassung von Werbemitteln mit Dynamic Creative Optimization (DCO). Hierfür ist die technologische Voraussetzung in der Regel, dass HTML5 verwendet werden muss. Der Vorteil: Die Creatives können dann tatsächlich live verändert und angepasst werden, ohne dass vorab jeweils neue Werbemittel hinterlegt werden müssen.Auch hier lässt sich am besten an einem konkreten Beispiel zeigen, technische Möglichkeiten und Kreativität ideal zusammenwirken können: Nehmen wir an, dass ein Unternehmen sich als Hauptsponsor eines großen Fußballvereins engagiert. Das Unternehmen schaltet ohnehin regelmäßig DooH-Kampagnen im Einzugsgebiet des Vereins. Am Spieltag können dann die Live-Daten zur Partie des Vereins genutzt werden, um die Creatives der Kampagne in Echtzeit anzupassen: Schießt das Team ein Tor, läuft z.B. das Maskottchen des Vereins jubelnd quer über den Bildschirm und anschließend werden der aktuelle Spielstand, die Spielminute, der Torschütze und Ähnliches eingeblendet.
Relevanz entsteht im Zusammenspiel
Aufgrund der technologischen Möglichkeiten, die der Kanal mittlerweile bietet, ist das Potenzial, relevante DooH-Kampagnen zu konzipieren, die bei den KonsumentInnen im Gedächtnis bleiben, heute größer denn je. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch eine australische Studie aus dem vergangenen Jahr. Außenwerber QMS und Marktforscher Neuro-Insight fanden heraus, dass bei einer DooH-Kampagne schon kleine Veränderungen der Creatives im Zeitverlauf zu einer deutlich gesteigerten Erinnerung führen. Wie groß mag dieser Effekt dann erst sein, wenn Marken das kreative Potenzial von Programmatic DooH voll ausschöpfen und so besonders relevante Werbemittel erzeugen?Fest steht: Gute DooH-Werbung muss heute nicht mehr zwangsläufig groß und spektakulär sein. Zwar ist und bleibt auch die digitale Außenwerbung ein One-to-Many-Medium, aber die Möglichkeiten, Relevanz zu erzeugen, sind heute größer denn je. Relevanz bedeutet in diesem Zusammenhang: In der richtigen Situation die Bedürfnisse des KonsumentInnen antizipieren und mit den passenden Inhalten gezielt darauf eingehen. Wer das im geschickten Zusammenspiel zwischen technischen Möglichkeiten und Kreativität sicherstellen kann, wird bei seinen DooH-Kampagnen in Sachen Qualität und Effizienz schon bald ein völlig neues Niveau erreichen.
Daniel Siegmund ist Gründer und Managing Director der One Tech Group .