Mangelnde Medienkompetenz: Wie Desinformationen weltweit Gesellschaften durchdringen
17.07.2020 Bill Gates habe die WHO gekauft und das Corona-Virus sei eine chinesische Bio-Waffe. Die Infodemie bringt eine Vielzahl hanebüchener Falschmeldungen hervor. Mit weitreichenden Folgen, wie eine repräsentative, globale Studie der Friedrich-Naumann-Stiftung nun belegt.
Mangelnde Medienkompetenz und Misstrauen in Mainstream-Medien
Die überwiegende Mehrheit der Befragten gibt zwar an, "sehr gut" und "eher gut informiert" über die Corona Pandemie zu sein. In Kontrast zu dieser subjektiven Einschätzung stehen aber eine Reihe von anderen Ergebnissen der Studie.54 Prozent der Befragten empfinden es als schwierig, zwischen Nachrichten und bewussten Falschmeldungen zu unterscheiden. 74 Prozent der Befragten zeigen sich über die Zunahme von bewussten Falschmeldungen beunruhigt. Die Deutschen sind mit knapp 53 Prozent am wenigsten beunruhigt.
Der Aussage, Medien würden auf Druck der Regierung in den jeweiligen Ländern Tatsachen über das Corona-Virus verschweigen, stimmen in Deutschland sogar 38 Prozent der Befragten zu. In den USA, Mexiko und Südafrika unterstützen diese Aussage mehr als die Hälfte aller Befragten.
Haupt-Informationsquelle ist weiterhin das Fernsehen (77 Prozent), gefolgt von Social Media (68 Prozent), Zeitungen oder Zeitschriften im Internet (55 Prozent) und sonstigen Quellen im Internet (46 Prozent). In deutlich geringerem Ausmaß werden Radio (34 Prozent) oder Printmedien (25 Prozent) genutzt. Vor allem die Jüngeren, weltweit, aber vor allem in Deutschland, informieren sich vorrangig im Netz.
Schwindendes Vertrauen
Eine Folge bewusster Einflussnahme auf die Nachrichten in Zeiten von Covid-19: Die Glaubwürdigkeit von Politikern und Ärzten sinkt. Ein länderübergreifender Trend: Dreiviertel aller Befragten sagen, dass bewusste Falschmeldungen zu Corona die Kompetenz dieser Berufsgruppen untergraben. In Südafrika stimmen der Aussage sogar 84 Prozent der Menschen zu, in Deutschland rund 70 Prozent.Corona als Waffe
Der vermeintlich gute Informationsstand zur Corona-Epidemie bestätigt sich erst Recht nicht in den einzelnen Aussagen zu vermeintlichen Fakten über das Virus. Beunruhigend sind die Antworten nach der Herkunft des Virus. Nicht allein wegen seiner gesundheitlichen Folgen, sondern wegen der wilden Theorien, die sich darum ranken.Ein Viertel aller deutschen Befragten gibt an, das Corona-Virus sei in einem chinesischen Labor gezüchtet worden. In Indien sind 79 Prozent der Menschen überzeugt. Aber es geht noch abstruser: 38 Prozent der weltweit Befragten (und hierbei 72 Prozent in Indien und 52 Prozent auf den Philippinen, aber "nur" 13 Prozent in Deutschland) glauben, dass es sich beim Corona-Virus um eine chinesische Biowaffe handle.
Feindbild: Bill Gates
In den völlig unterschiedlichen Ländern kristallisiert sich auf vielen Kanälen ein klares Feindbild heraus: Microsoft-Gründer Bill Gates . 50 Prozent der Befragten weltweit meinen, er fordere eine Zwangsimpfung aller Menschen; 39 sagen, er habe in ihrem Land mehr Macht als die Regierung; 31 Prozent glauben, Gates wolle den Menschen zur Bekämpfung des Virus Mikrochips einpflanzen; 20 Prozent meinen, Gates habe die Weltgesundheitsorganisation WHO gekauft. Bei der Unterstützung dieser seltsamen Aussagen tun sich insbesondere die Menschen in Jordanien und in Südafrika hervor, während die Deutschen hier den ersten beiden Aussagen "nur" zu einem Viertel, der Frage nach den Mikrochips zu 16 Prozent und der Frage nach der WHO zu 12 Prozent zustimmen.5G und Corona
Der zunächst in Großbritannien, Zypern und den Niederlanden verbreitete Mythos, es gäbe einen Zusammenhang zwischen dem Ausbau des 5G-Internet-Netzes und der Corona-Epidemie, hat allein im Vereinigten Königreich bereits zu mehr als 60 Brandanschlägen auf Mobilfunk-Masten geführt. Auch in Deutschland stimmen 21 Prozent der 18- bis 34-Jährigen der Behauptung zu. In Jordanien sogar 30 Prozent. Dass tatsächlich keinerlei wissenschaftliche Beweise vorliegen, die die These unterstützen, bleibt nebensächlich.Das Meinungsbild der Umfrage zeigt: Noch ist das Gefühl, gut informiert zu sein, nicht fundamental erschüttert. Die Umfrage dokumentiert eine substantielle Vertrauenskrise der Medien. Die Demokratie kann sich eine Glaubwürdigkeitskrise der Medien nicht leisten.