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Der Beweis: Adblocker-Nutzung erreicht desaströse Höhen
17.08.2018 Eine repräsentative Studie weist erstmals nach, dass alle offiziellen Zahlen zur Adblocker-Verwendung viel zu niedrig sind. Die Realität entspricht iBusiness-Berechnungen aus dem Frühjahr. Advertiser müssen Budgets, Publisher ihre Geschäftsmodelle überdenken.
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- 43 Prozent der Bundesbürger sagten in der Studie, dass sie einen Adblocker installiert haben.
- Deutlich weniger (40 Prozent) akzeptieren Onlinewerbung.
- Enorm hoch ist der Anteil derjenigen, die sich nicht sicher sind, ob sie einen Adblocker installiert haben. Männer sind sich dabei deutlich sicherer in ihrer Aussage als Frauen. Knapp jeder zweite Mann sagt, dass er einen Adblocker installiert hat.
- Aus den Aussagen der Befragten geht hervor, dass es oft der Ehepartner oder (im geschäftlichen Umfeld) der Systemadministrator ist, der den Adblocker installiert.
- Je niedriger der "Weiß nicht"-Anteil in Teilzielgruppen ist, umso mehr Menschen sagen, dass sie einen Adblocker installiert haben. Deswegen dürfte der reale Adblocker-Anteil in Deutschland eher bei 50 Prozent liegen.
- Dabei ist es nur für jeden dritten Adblocker-Nutzer die prinzipielle Ablehnung von Werbung, die dafür sorgt, dass der Adblocker installiert wird. Bei der überwiegenden Anzahl der Befragten sorgt für Ablehnung die Art und Weise, wie Vermarkter und Werbetreibende ihre Werbung implementieren.
- Ärgerlich für Werbetreibende: Je höher das Haushaltsnettoeinkommen der Befragten ist, umso eher haben sie einen Adblocker installiert: In der besonders interessanten Zielgruppe mit einem Nettoverdienst von über 7.500 Euro im Monat sind es knapp zwei Drittel (64 Prozent), die mit Adblockern im Netz unterwegs sind.
- In den gut verdienenden Zielgruppen ist gleichzeitig auch die Ablehnung besonders hoch, wie Werbung aktuell implementiert wird. Offenbar schaffen es Werbetreibende besonders erfolgreich, gut verdienende Zielgruppen mit ihren Kampagnen abzuschrecken
Anlass der Berechnungen war eine kritische Analyse der von Experten und iBusiness selbst als zu niedrig empfundenen Adblocking-Werte. Der OVK-Dachverband BVDW meldet seit mehreren Jahren etwas, was er für die Quote der Nutzer hält, die Ads blocken. Dieser Wert lag im Sommer 2016 zunächst bei 19, sank dann zum Jahresende auf 17 Prozent und ließ den Verband frohlocken, man könne so "den mitunter sehr abenteuerlichen Hochrechnungen im Markt eine tatsächlich gemessene Rate gegenüberstellen."
Mit abenteuerlichen Hochrechnungen war offenbar die Adblocking-Quote von mindestens 25 Prozent gemeint, die erstaunlich übereinstimmend internationale Marktforscher für den Deutschlandmarkt ausgaben. Sowohl der Abstand zu diesen deutlich höheren Werten hätte misstrauisch machen müssen, ebenso die iBusiness-Berichte , nach denen die Werte einfach zu niedrig sein mussten.
Ende Februar, ruderte der Verband selbst zurück und gab offen zu, die Adblocker-Raten unterschätzt zu haben. Nach einer Korrektur der Berechnungsmethode gab es einen kleinen Sprung der Werte nach oben, auf nach wie vor unwahrscheinliche 24 Prozent.
Unrealistisch, denn auf iBusiness-Anfrage erklärte der BVDW bereits im Mai 2017: "An der Erhebung sind etwa zwei Drittel der OVK-Mitgliedshäuser beteiligt", so ein BVDW-Sprecher: "Das müssen nicht zwangsläufig bei jeder Erhebung dieselben sein. Einige OVK-Mitglieder führen individuell Maßnahmen gegen die Adblocker-Nutzung durch." Mit anderen Worten: Es wird gemessen, wie viele Nutzer mit Adblockern im OVK-Kosmos unterwegs sind, gleichzeitig sperren die messenden Seiten aber Content für Nutzer mit aktivem Adblocker. Das dürfte den Anteil der blockenden Nutzer senken und den Anteil der nicht-blockenden erhöhen - man selektiert schließlich mit den Maßnahmen eine nicht-blockende Zielgruppe.
Um an eine realistische Adblocking-Quote zu kommen, nahm iBusiness also im Mai eigene Berechnungen vor:
- Grundlagen der Berechnungen sind die Zahl der Internetnutzer laut ARD-ZDF-Onlinestudie
- und die Anteile der Browser an der Gesamtheit der Internetnutzer laut Statista
.
- Für den Internet Explorer
hat in Deutschland rechnerisch ein Zehntel der Nutzer Adblocker heruntergeladen (wir berücksichtigen hier nur eine Handvoll Anbieter - Quelle ist das Downloadranking der Top-Apps bei Chip.de
). Sind diese aktiv, haben wir es bei Microsofts Browser also mit zehn Prozent Blockade-Rate zu tun.
- Opera ist ein Nischenbrowser, der sich bewusst als Adblocker-Browser positioniert - man darf also von einer hohen Adblocker-Anwendung ausgehen, in unserer ersten Beispielrechnung 75 Prozent. Bei Safari liegen keine Werte vor, im Zweifel für den Online-Banner gehen wir also von sehr niedrigen Werten aus.
- Bei Chrome
ist standardmäßig ein Adblocker aktiviert, der gemäß der Google-Richtlinien unerwünschte oder besonders störende Werbeformate, sogenannte Bad Ads, herausfiltert.
- Für Firefox hat IT-Experte Jens Altmann
exklusiv für iBusiness eine Verbreitung von mindestens 3,25 Millionen heruntergeladenen Blockade-Add-ons verschiedener Hersteller errechnet (berücksichtigt wurden nur die Top3-Add-ons). Mit 13,5 Millionen Nutzern in Deutschland ergibt sich somit für Firefox eine Blockaderate von 24 Prozent oder höher.
- Soweit das Szenario Nummer eins - in einem zweiten Szenario haben wir geringfügig höhere Blockadewerte angenommen, um eine Tendenz aufzuzeigen, sollte die Nutzung leicht nach oben abweichen.
Das Resultat der iBusiness-Berechnungen wird nun durch die aktuelle und repräsentative Splendid-Research-Studie an der Untergrenze mit nur einem Prozent Abweichung belegt (iBusiness: 42, Splendid: 43 Prozent). Doch auch das Worst-Case-Szenario ist erstaunlich treffsicher: Die Splendid-Studie geht davon aus, dass man einen Teil der Nutzer als Blocker einstufen muss, die bei der Befragung "Weiß nicht" geantwortet haben. Tut man dies, so ergeben sich bei Splendid Research fast genau die Werte unseres Worst-Case-Szenarios (50 Prozent statt 52 Prozent bei iBusiness).
Vier von zehn Online-Bannern bis eventuell sogar jede zweite Ad Impression wird in Deutschland also geblockt. Das sollte nun endgültig bei Advertisern und Publishern als das ankommen, was es ist: Die Realität.
Und die sagt vor allem eines: Nutzer mögen Werbung nicht. Das sagen fast vier von zehn Nutzern explizit, weitere vier von zehn stören sich an der Art und Weise wie geworben wird, jeder vierte Befragte ärgert sich über die angezogene Performance-Handbremse, die bandbreitenfressende Onlinewerbung dem Surfen einbaut.