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"KI regelt den Rest" - Wie Mark Zuckerberg Agenturen überflüssig machen will
30.06.2025 Meta will die Zukunft der Werbung automatisieren: Ziel eingeben, Konto verknüpfen, fertig. Der Rest - von der Idee bis zur Auswertung - läuft über KI. Für Agenturen, Marken und Kreative klingt das wie eine Drohung. Was bleibt von Strategie, Gestaltung und Markenidentität? Eine Analyse der radikalsten Vision, die die Branche je gesehen hat.




Zuckerberg formuliert es so:
"We're going to get to a point where you're a business, you come to us, you tell us what your objective is, you connect to your bank account, you don't need any creative, you don't need any targeting demographic, you don't need any measurement, except to be able to read the results that we spit out."

Für Matthias Schrader
, Digitalunternehmer und Gründer der Agentur SinnerSchrader, ist das mehr als eine steile These. In einem vielbeachteten LinkedIn-Beitrag
nennt er Zuckerbergs Ansatz "brutal" und warnt vor einer "Black-Box"-Zukunft, in der Meta durch generative KI nicht nur Werbemittel produziert, sondern die gesamte kreative Wertschöpfung ersetzt. Die Plattform lernt im Sekundentakt aus Milliarden von Interaktionen, repliziert, was funktioniert, und nimmt so die Unsicherheit aus der Kreation. Der Effekt ist maximale Effizienz, aber auch maximale Abhängigkeit vom System.
Während viele Agenturen noch versuchen, ihre Prozesse mithilfe von KI effizienter zu gestalten, plant Meta offenbar, diese komplett zu eliminieren. Metas Verhältnis zu Agenturen ist wie das von Traktor und Pferdepflug.
Doch wie realistisch ist diese Vision? Und welche Rolle bleibt Agenturen in einer Werbewelt, die zunehmend von Plattformen, Daten und KI dominiert wird? Wir haben mit führenden Köpfen der Branche gesprochen.
"Eine Enteignung der Markenidentität"

In der deutschen Agenturszene stößt diese Idee auf wenig Gegenliebe. Die deutlichste Kritik kommt von Paul Remitz
, dem CEO der Omnicom Media Group Germany
.
"Das ist keine neue Werbeplattform - es ist die radikalste Enteignung von Marketing-Kompetenz, die die Werbewelt je erlebt hat", sagt er. Was sich nach Effizienz anhöre, sei in Wahrheit ein gefährlicher Tausch: Kontrolle gegen Bequemlichkeit. "Marken geben nicht nur ihre Daten, sondern auch ihre Souveränität ab und bezahlen mit dem Verlust von Transparenz, Kontrolle und letztendlich Brand Equity."
Wenn Konzerne wie Meta nicht nur die Infrastruktur, sondern auch Inhalt und Strategie diktieren, dann wird Werbung "zum kolonisierten Raum". Marken seien dann nicht mehr Gestalter, "sondern Inputgeber im System einer Werbe-Monarchie", so Remitz. "Diese Ankündigung ist kein Schritt in Richtung Zukunft. Sie ist die Vision einer singulären Plattform-Autokratie. Wer bei Meta in dieser Form wirbt, nimmt die blaue Pille: Wir wachen in einer Welt auf, in der KI die Markenführung übernommen hat. Wollen wir wirklich in dieser dystopischen Traumwelt aufwachen?"
Mangel an echter Kreativität und Werten

Vielleicht zeigt sich aber ohnehin, dass die "blaue Pille" gar nicht so verlockend ist, wie es zunächst scheint. Ein wiederkehrendes Motiv in den Statements der Branche ist der Kreativitätsverlust. Die Experten sind sich einig: Generative KI wird künftig ein Standardwerkzeug in der Werbemittelerstellung sein, doch sie ersetzt keine kreative Tiefe. "Relevanz entsteht nicht durch Vorhersehbares, sondern durch Überraschung, Mut und kulturelles Gespür. Wir glauben: Die besten Kampagnen entstehen im Zusammenspiel von Menschen und Maschine", erklärt Maximilian Balbach
, Co-CEO des Media-Selbsbuchungsportals crossvertise GmbH
. Die Aufgabe der Kreativagenturen bleibe es, die unwahrscheinlichste, undenkbarste und kontroverseste Antwort zu finden. "Dabei gilt es, die Grenzen der gesellschaftlichen Akzeptanz auszuloten, ohne sie zu überschreiten. Eine Aufgabe, die KIs heute auf jeden Fall noch schwerfällt."
Das Problem ist immanent. KI kann Emotionen nicht empfinden, sondern nur nachahmen. Sie kann mathematisch nachvollziehen, dass Menschen bei heißem Wetter großen Durst entwickeln (und Banner für Getränkemarken dann besser funktionieren). Die kleine Explosion jedoch, die das zischende Geräusch einer sich öffnenden Flasche im Gehirn eines durstigen Menschen auslöst, kennt sie nicht - und kann deswegen auch nicht auf die Idee kommen, es in der Werbung einzusetzen. KI-Werbung kann nicht kreativ sein. KI kann nur nachahmen.
Corinna Hohenleitner
, Director CEU, Activation des Retail-Media-Spezialisten Criteo
, kann diesen Effekt gut nachvollziehen. "Unseren Studien und Umfragen zufolge wünschen sich Konsumentinnen und Konsumenten vor allem die emotionale Bindung, also den 'Human Touch', in der Werbung", sagt sie und fährt fort: "Hier sind Kreativität und Mediaplanung als Kernkompetenzen von Agenturen gefordert, um ihren Kundinnen und Kunden zu ermöglichen, die richtige Zielgruppe mit emotionalem Storytelling zu erreichen und aus der Menge an beliebigen Anzeigen hervorzustechen."

Es geht schließlich nicht nur darum, Emotionen beim Verbraucher zu wecken, sondern diese auch mit den Markenwerten in Einklang zu bringen. "Gerade in kreativen Prozessen zeigt sich, dass KI allein ohne menschliche Steuerung und strategische Leitplanken nicht in der Lage ist, hochwertige Markenführung und differenzierende Kommunikation zu gewährleisten", erklärt Carsten Kollmus
, Managing Director der Werbe- und Transformationsagentur Dentsu X Germany
. "Agenturen können die Rolle eines kuratierenden Filters einnehmen - sie sichten KI-generierte Vorschläge und wählen die besten aus, korrigieren oder verwerfen ungeeignete Varianten und stellen sicher, dass alles markenkonform ist. Gerade große Marken werden solche Brand-Guardians brauchen, die darauf achten, dass die automatisierte Werbung im Einklang mit der Markentonalität und -strategie steht."
Transparenz einer Tütensuppe
Auch wenn automatisierte Systeme schnelle Erfolge versprechen und auf den ersten Blick kostengünstig erscheinen, können sie sich langfristig als Bumerang für Marken erweisen. "In Zuckerbergs neuer Werbewelt wissen Marken nicht mehr, warum etwas funktioniert - sie sehen nur, dass es funktioniert", warnt Omnicom-Chef Remitz vor einer fundamentalen Schwächung der Marken. Wenn Meta allein über Werbeerfolg, Ausspielung und Erfolgskriterien entscheidet, bleiben Werbetreibende nur passive Zuschauer. Die Entscheidungslogik bleibt ihnen verborgen.
Werbekunden sollten auch nicht vergessen, dass Black-Box-Systeme, wie sie Meta plant, in erster Linie auf Erlösmaximierung der Plattform angelegt sind. Julian Simons
, Managing Partner der zur Serviceplan-Gruppe gehörenden Mediaagentur Mediaplus Group
, äußert sich ebenfalls skeptisch: "Black-Box-Systeme dienen meist der Erlösmaximierung des Anbieters. Wäre das nicht so, könnte man Transparenz gewähren. Einer AI-gesteuerten Black-Box-Kampagne sollte man daher mit Skepsis begegnen."
Ralf Scharnhorst
, langjähriger Media-Experte in verschiedenen Rollen und Chef der Beratung m42m GmbH, sieht das ganz ähnlich: "Dazu kommt: Wer Entscheidungen über seine Werbung an den Werbeträger delegiert, mag damit erreichen, dass die Ziele des Werbeträgers besser erreicht werden und dass die Werbung besser zum Konsumenten passt." Aber seine Kritik reicht noch weiter: "Es ist aber auch ein Machtverlust darüber, was man kommunizieren will - denn im Kern ist Werbung oft: Ein Unternehmen bezahlt dafür, dass seine sorgfältig formulierte Botschaft genau so vor das Auge der Zielgruppe kommt."
Eine Welt ohne Konkurrenz und Korrektiv?
Nicht zu vergessen ist außerdem, dass Meta zwar ein Konzern von beeindruckender Größe ist - gerade auch, was die Reichweite und Nutzerzahlen betrifft -, aber trotzdem nicht jedes Versprechen erfüllen kann. Jörn Strehlau



Aus diesem Grund kann sich Crossvertise-Chef Balbach nicht vorstellen, dass sich Werbetreibende allzu leicht blenden lassen: "Der Interessenskonflikt liegt auf der Hand: Meta kann nicht gleichzeitig den Werbeerfolg der Advertiser und die Werbeeinnahmen der Plattform maximieren", sagt er. "Deshalb braucht es unabhängige, kuratierende Instanzen: Agenturen, die strategisch, kanalübergreifend und auch regional beraten. Denn sie haben Zugriff auf Medien, die jenseits von Meta liegen - von regionaler Außenwerbung über Kino bis zu Connected TV."
Und schließlich gilt: Selbst wenn Meta immer das Beste bieten würde, bleibe es eben nur beim Besten, was Meta bieten könnte. Entsprechend gibt Mediaplus-Mann Simons zu bedenken: "Meta ist wie Google oder Amazon zwar ein wichtiger, aber eben nur ein Anbieter. Kein Werbetreibender und keine seriöse Agentur setzt in einem so fragmentierten digitalen Markt auf Monostrategien." Um Budgets sinnvoll zu platzieren und die Wechselwirkungen einzelner Platzierungen zu verstehen, ist es essenziell, die Kontrolle über Kampagnendaten, Zielgruppenmodellierungen und KPIs zu behalten. "So sehr sich Herr Zuckerberg eine Welt ohne Korrektiv wünscht, so wenig realistisch ist es, dass dies passieren wird."
Rechtliche und regulatorische Risiken

Die Vision mag technisch machbar sein - doch sie steht im Konflikt mit geltendem Recht. Dentsu-Manager Kollmus verweist auf regulatorische Hürden: "Ein zentrales Hindernis für die Umsetzung von Zuckerbergs Ansatz ist die zunehmende Regulierung im Bereich künstlicher Intelligenz. Der EU AI Act, der ab 2025 in Kraft tritt, bringt für alle Akteure - Plattformen, Agenturen und Werbetreibende - neue, verbindliche Compliance-Anforderungen mit sich. Diese Vorschriften verlangen Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Kontrolle bei der Entwicklung und beim Einsatz von KI-Systemen", erklärt er. "Für Meta bedeutet das, dass die Vision, bei der Entscheidungswege der KI weitgehend intransparent bleiben, regulatorisch an Grenzen stößt."
Er sieht weitere Probleme im Datenschutz und in der Qualitätskontrolle. "Die strengen Vorgaben der DSGVO schränken insbesondere die Nutzung von KI-Lösungen ein, deren Datenverarbeitung außerhalb der EU erfolgt", erläutert er. Ein weiteres zentrales Problemfeld ist die Qualitätskontrolle. "Zuckerbergs Vision setzt darauf, dass KI-Systeme autonom kreative Inhalte in großer Zahl generieren und ausspielen. Ohne klare strategische Führung und menschliche Überwachung besteht jedoch die Gefahr, dass die KI zwar effizient arbeitet, die Markenidentität, inhaltliche Qualität und Differenzierung aber aus dem Blick verliert." Markensicherheit sei aber ein zentrales Anliegen der Werbetreibenden. Wenn KI automatisiert Creatives erstellt, bestünde die Gefahr, dass Inhalte entstehen, die nicht zur Marke passen oder ihr sogar schaden.
Zuletzt stellt sich für Kollmus die Frage: "Wer haftet, wenn beispielsweise eine falsche Behauptung in einer dieser Varianten auftaucht oder ein generiertes Bild unrechtmäßig ein Markenzeichen verwendet?" Rechtlich sei zwar zunächst der Werbekunde verantwortlich. Doch wenn die Werbung vom Meta-System erstellt wurde, könne es zu haftungsrechtlichen Grauzonen kommen.
"Gesetzgeber sollten hier eingreifen und klare Verantwortlichkeiten für KI-Content fordern", schließt Kollmus. "Denkbar sind zum Beispiel Regelungen, dass KI-generierte Werbung als solche gekennzeichnet werden muss" - ähnlich, wie dies bei bei AI-generierten News diskutiert wird.
Fehlende strategische Tiefe

Auch wenn KI derzeit sehr viel zugetraut wird, zieht Ralf Scharnhorst derzeit einen eher nüchternen Vergleich - und fühlt sich gar um 25 Jahre zurückversetzt: "Es muss so circa 1999 gewesen sein, da brachte 1&1 einen kostenlosen Banner-Generator heraus", erzählt er. "Unsere Kollegen aus dem Grafikdesign waren entsetzt - 'Kann doch nicht sein, dass ein Algorithmus kann, was wir können!'"
Man muss wissen: Bannerdesign war damals noch eine Art Raketenwissenschaft; wer es konnte, war ein gesuchter Guru. Das Ende der Geschichte ist wenig überraschend: Die Revolution blieb aus. Natürlich, räumt Scharnhorst ein, haben sich seitdem Algorithmen, Datenmenge und -qualität weiterentwickelt. Die Wünsche von Konsumenten lassen sich inzwischen weit besser vorausahnen. Im Endeffekt sei der Fortschritt aber übersichtlich, das Angebot von Zuckerberg geht kaum einen Schritt weiter als die 1&1-Initiative von 1999. "Wirf uns ein paar Bilder, Videos, Logos und Texte über den Zaun, nenne dein Ziel, und wir machen den Rest", - darauf laufe es hinaus.
Was Scharnhorst heute wie damals fehlt: strategische Tiefe. "Nachhaltiger Profit entsteht erst durch langfristige Arbeit. Man muss eine Marke aufbauen und mit treuen Kunden Wiederholungskäufe generieren", sagt er. "Aber wie soll der Algorithmus dieses Jahresziel verfolgen, wenn er unter dem Erfolgsdruck steht, innerhalb von Tagen oder Wochen Kosten-Umsatz-Relationen zu liefern, die unter denen der anderen Hyperscaler liegen?". Scharnhorst ist überzeugt: "Zuckerbergs System wird begrenzt bleiben auf kurzfristige Ziele wie 'möglichst schnell die Lagerbestände verkaufen' oder 'kurzfristig Aufmerksamkeit generieren'."

Genauso sieht es auch David Gabriel
, Gründer und CEO des Performanc-Anbieters Smarketer Group
: "KI kann zwar innerhalb von Millisekunden Werbemittel-Varianten generieren, A/B-Tests durchführen und Budgets dynamisch skalieren. Was sie aber nicht kann: den ursprünglichen Impuls geben, warum eine Marke überhaupt sichtbar sein sollte. Die strategische Grundlage bleibt menschlich und beruht auf tiefem Marktverständnis, differenzierter Markenpositionierung, Pricing-Know-how und der klugen Gestaltung von Customer Journeys."
Die Zukunft der Agenturen
Die Gretchenfrage bleibt: Welche Lücke wird am Ende größer sein? Die, die Meta lässt? Oder die, die Meta schließt? Denn auch wenn KI nicht wirklich kreativ sein kann, strategisch blind bleibt und die Markenführung dem Zufall(salgorithmus) überlässt, muss man eines zugestehen: Schnell und effizient ist KI in jedem Fall. "Die eigentliche Bedrohung liegt nicht in der Kreativität, sondern in der Geschwindigkeit und Skalierbarkeit", sagt Vincent Nikolai

Bei aller Kritik sind sich die führenden Köpfe der Branche ebenfalls einig, dass sich die Rolle der Agenturen in Zukunft ändern wird und keinesfalls von der KI-Entwicklung unbeeindruckt bleiben wird. Wie die Branche vor dieser Herausforderung bestehen will und welche Lücken sich für Agenturen in Zukunft auftun, ist ein Thema für sich und Gegenstand einer eigenen Geschichte.