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Deutsche VerbraucherInnen werden immer digitaler
13.07.2022 70 Prozent der Deutschen nutzen mittlerweile digitale Dienste für Lebensmitteleinkauf, Bankgeschäfte oder Behördendienstleistungen. Im europäischen Vergleich holen sie damit kräftig auf.
Das Wachstum ist vor allem auf eine stärkere Nutzung digitaler Lösungen in den Branchen Banking (+14PP auf insgesamt 86 Prozent), Gesundheitswesen (+14PP auf insgesamt 44 Prozent) und Lebensmittelhandel (+11PP auf insgesamt 21 Prozent) zurückzuführen. Laut McKinsey ist in Summe die Akzeptanz digitaler Interaktion über Apps, Chats oder Webseiten weit mehr als ein pandemischer Trend - Europa hat seit 2019 im Durchschnitt einen Nettozuwachs von 100 Millionen Online-NutzerInnen erlebt.
Deutschland holt auf
Die Deutschen nähern sich mit ihrem Digitalverhalten dem europäischen Durchschnitt: Rund 85 Prozent der EuropäerInnen mit Internetzugang haben während der vergangenen sechs Monate mindestens einen digitalen Dienst aus dem Bereich Lebensmittel, Banking, Versicherungen, Einzelhandel, Unterhaltung, Bildung, öffentliche Verwaltung oder Gesundheit genutzt. 2021 hielten Deutschlands VerbraucherInnen trotz Zuwachs noch die rote Laterne: Nur 65 Prozent der deutschen VerbraucherInnen hatten 2021 digitale Dienste genutzt. Mit jetzt 70 Prozent Digital-NutzerInnen rückt Deutschland auf Platz 13 im europäischen Vergleich vor.Neben Deutschland zählen auch Österreich (+7PP), Finnland (+3 PP) und die Schweiz (+0,5PP) zu den Ländern mit Online-Zugewinnen. Alle anderen Länder zeigen teilweise deutliche Rückgänge in der Digitalnutzung zugunsten von physischen Kanälen, etwa dem Gang in den stationären Handel (Frankreich -11PP, Portugal -13PP, Tschechien -14PP). "Europas und Deutschlands Verbraucherinnen und Verbraucher interagieren im New Normal mit deutlich mehr Branchen über digitale Kanäle als vor der Pandemie. Die Entwicklung ist unumkehrbar und wird sich über die jungen Generationen noch einmal verstärken", sagt Gérard Richter , Leiter von McKinsey Digital in Deutschland und Senior Partner im Frankfurter Büro von McKinsey.
Die digitalen Gewinner: Banking und Gesundheitswesen
Banking erlebt absolut den größten Zuwachs bei vollkommen digitalen Nutzern (+33PP): Rund 86 Prozent der NutzerInnen von Bankdienstleistungen gaben an, diese ausschließlich digital zu nutzen. Nach Unterhaltung (88 Prozent) ist dies der zweithöchste Wert in der erwachsenen Bevölkerung. Das Potenzial bleibt hoch: Fast jede/r Dritte ist bereit, Bankgeschäfte komplett digital abzuwickeln und 26 Prozent wären es, wenn ein/e KundenberaterIn weiterhin erreichbar wäre. Bestimmte Serviceangebote würden die digitale Nutzung von Bankdienstleistungen sogar noch weiter steigern. Zu den meist genannten zählen neben der Sofortüberweisung (27 Prozent) insbesondere die Möglichkeit einer digitalen Identitätsprüfung (15 Prozent) und Unterstützung bei der Nebenkostenoptimierung, also z.B. bei der Wahl des besten Gas-, Strom- oder Telekommunikationsanbieters (15 Prozent).Im Gesundheitswesen ist die Digitalisierung ebenso angekommen: Zwar präferieren hier die VerbraucherInnen nach wie vor den persönlichen Kontakt, doch gaben rund 44 Prozent der Befragten an, in diesem Sektor in den letzten sechs Monaten rein digitale oder digital-unterstützte Angebote wahrgenommen zu haben. Dazu zählt die digitale Kontaktaufnahme mit dem Arzt bzw. der Ärztin oder der Krankenversicherung per Mail oder Chat, jede/r dritte DigitalnutzerIn hat dies bereits versucht. Auch Wellness- bzw. Gesundheitsmonitoring-Apps und -Onlinediensten (27 Prozent) und Online-Diagnose/Symptom-Checker (21 Prozent) wurden genutzt. Dagegen spielen Video-Sprechstunden bzw. Online-Therapie noch eine eher untergeordnete Rolle (11 Prozent).
Der digitale Verlierer: öffentliche Verwaltung
Signifikante Verluste in der Nutzung von Onlinediensten verzeichnet der öffentliche Sektor mit -18PP gegenüber 2021. Hochgerechnet entspricht dies einer Summe von knapp 4 Millionen NutzerInnen. "Ein Teil dieser massiven Verluste kann wahrscheinlich indirekt mit Kurzarbeitergeld und Jobverlusten im Jahr 2020 erklärt werden", sagt Frank Sartorius , Associate Partner bei McKinsey Digital. Mehrere Millionen ArbeitnehmerInnen bezogen im ersten Pandemiejahr Kurzarbeitergeld und waren dadurch 2021 zu einem großen Teil erstmalig zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet, die in der Regel online erfolgte. Mit 56 Prozent war die online abgegebene Steuererklärung die am häufigsten genutzte Dienstleistung des öffentlichen Sektors, gefolgt von der Beantragung amtlicher Bescheinigungen bzw. Dokumente (37 Prozent) und der Aktualisierung von Daten (26 Prozent).Rund 44 Prozent der BürgerInnen wünschen sich einen zentralen Zugang zu allen Verwaltungsleistungen und 40 Prozent wünschen sich eine einfachere Möglichkeit zur Online-Identifikation. "Mit Vorhaben wie dem Portalverbund und interoperablen Nutzerkonten arbeiten Bund, Länder und Kommunen bereits daran, die digitale Nutzung von Verwaltungsleistungen zu erhöhen. Je schneller diese Projekte vorankommen, desto stärker kann ein Momentum der steigenden Digitalnutzung im öffentlichen Sektor entstehen", so Frank Sartorius.
Die Sorge um den Schutz persönlicher Daten bleibt
Die Zufriedenheit der aktiven NutzerInnen von Online-Diensten stieg über alle Sektoren hinweg leicht an - von 3,81 im Jahr 2021 auf 3,95 auf einer Skala von eins bis fünf. Hauptgrund für Unzufriedenheit sind schlechtes Nutzungserlebnis und Design. Das beste Nutzungserlebnis verbucht der Banking-Bereich (4,2).Kaum verändert hat sich hingegen das Vertrauen der NutzerInnen in digitale Services. Jede/r Dritte sorgt sich um den Umgang mit personenbezogenen Daten. Darüber hinaus hat im Vergleich zum letzten Jahr auch die Sorge vor Cyberattacken zugenommen: Fast jede/r dritte NutzerIn misstraut digitalen Angeboten aus Angst - direkt oder indirekt - Opfer eines Cyberangriffs zu werden. Demgegenüber befürchtet jedoch nur rund jeder fünfte Nutzer nicht ausreichend dafür kompensiert zu werden, wenn online irgendetwas schief läuft.
Vertrauen in KI und Metaverse
Aktuelle technologische Schlüsseltrends wie künstliche Intelligenz, Kryptowährungen, Hyperpersonalisierung oder Metaverse haben mit über 80 Prozent einen hohen Bekanntheitsgrad in der Bevölkerung. Dabei erwarten die Befragten im Fall von künstlicher Intelligenz mehrheitlich positive Effekte für digitale Angebote (40 Prozent positiv gegenüber 27 Prozent negativ). Ein leicht positives Übergewicht besteht sonst nur beim Thema Metaverse (26 Prozent positiv gegenüber 20 Prozent negativ). "Gegenüber Kryptowährungen und dem Trend zur Hyperpersonalisierung bleiben die Deutschen zusammen mit den Österreichern in Europa die größten Kritiker und sehen diese Trends eher negativ. Das ist ein klarer Auftrag an Unternehmen wie Politik, die positiven Effekte neuer Technologien klarer an Verbraucherinnen und Verbraucher zu kommunizieren", sagt Gérard Richter.Ukraine-Krieg beeinflusst Konsumausgaben
Derzeit erwarten die VerbraucherInnen nicht, dass der Krieg in der Ukraine große Auswirkungen auf ihre digitale Nutzung haben wird. Nur etwa 15 Prozent der deutschen VerbraucherInnen sehen einen negativen Effekt auf ihr persönliches digitales Nutzungsverhalten. Die besorgten NutzerInnen gehen jedoch davon aus, dass sie ihre Ausgaben in Zusammenhang mit digitalen Dienstleistungen reduzieren werden. "Mit fortschreitendem Kriegsverlauf und negativen Implikationen wie einer weiter zunehmenden Inflationsrate ist zu erwarten, dass der Konsum abnimmt. Diese Entwicklung würde sich natürlich auch in Ausgaben für digitale Dienstleistungen oder Online-Käufe niederschlagen", sagt Richter.Bislang deutet sich insbesondere ein Umsatzrückgang für die Branchen Bekleidung und Einzelhandel an: 24 Prozent der VerbraucherInnen möchten hier ihre Ausgaben reduzieren. Bei Telekommunikation möchten immerhin 17 Prozent der Befragten sparen und bei Unterhaltung 16 Prozent. Für den Tourismus ergibt sich dagegen ein differenziertes Bild: 35 Prozent der Befragten planen mit (teilweise deutlichen) Mehrausgaben, wohingegen 17 Prozent der Befragten sparen wollen. Rund die Hälfte (48 Prozent) möchte das Reisebudget beibehalten. Mit steigender Inflationsrate sind weitere Konsumeinschränkungen zu erwarten.