KI demokratisiert Musik
Gastbeitrag von Filippo Rizzante, CTO von Reply
Über den Einsatz Künstlicher Intelligenz in der kreativen Praxis - und die Idee hinter dem "AI Music Contest".
Künstliche Intelligenz ist gekommen, um zu bleiben. Alles deutet darauf hin, dass generative KI einen Paradigmenwechsel auslöst - auch in der Musik. Neben offenen Fragen zum Urheberrecht und der Rolle menschlicher Kreativität rückt dabei eine zentrale Chance in den Fokus: KI kann kreative und technische Produktionsmittel demokratisieren. Genau diesen Ansatz verfolgt Reply mit dem erstmals ausgeschriebenen "AI Music Contest".
Der Wettbewerb widmet sich dem Einsatz von KI in der Live-Musik-Performance. Als Preis winkt ein Auftritt auf der Bühne des renommierten Kappa FuturFestivals, das vom 4. bis 6. Juli im Parco Dora in Turin stattfindet: einem der führenden europäischen Festivals für elektronische Musik. Bewerbungen waren bis zum 1. Juni über die Plattform aimc.reply.com möglich.
Reply ist ein international tätiges Netzwerk spezialisierter Technologieunternehmen. Das Ziel: innovative, integrierte und zukunftsfähige Lösungen für unterschiedliche Märkte. Als Treiber der digitalen Transformation unterstützt Reply Unternehmen bei der Einführung von KI und der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle. CTO Filippo Rizzante erklärt, warum kreative Anwendungen dabei eine zentrale Rolle spielen.
Nach dem "AI Film Festival" folgt nun der "AI Music Contest". Warum der Schritt in die Musik?
Generative Algorithmen verändern die kreative Landschaft, egal ob es sich um Bilder, Videos oder Musik handelt. Mit den neuen Werkzeugen verändern sich auch die Ausdrucksformen. Unsere Wettbewerbe starten wir meist intern. Das liegt auch daran, dass viele unserer rund 15.000 Mitarbeitenden jung sind und bereits mit digitaler Kreativität experimentieren.
Beim "AI Film Festival" sind wir mittlerweile bei der vierten Runde: Zwei davon waren intern, zwei extern. Der neue "AI Music Contest" funktioniert nach dem gleichen Prinzip: Wir wollen herausfinden, wie leistungsfähig aktuelle Tools sind und welche Werke Künstlerinnen und Künstler damit erschaffen können.
Für uns steht die Live-Performance im Fokus. Wir sind der Meinung, dass dabei insbesondere visuelle und hybride Formen entstehen. Ein Beispiel ist der italienische Künstler Anyma, der Musik und visuelle Welten auf beeindruckende Weise miteinander verbindet. Deshalb war schnell klar: Wir brauchen eine Bühne, auf der wir diese neuen Ansätze mit einem größeren Publikum teilen können, wie beim Filmfestival in Venedig oder jetzt beim Kappa FuturFestival in Turin.
Wie kam es zu der Partnerschaft mit dem Kappa FuturFestival?
Wir haben mit mehreren Festivals gesprochen. Die Musikbranche begegnet KI noch mit Zurückhaltung und manche Veranstalter stehen ihr skeptisch gegenüber. Da wir in Turin sitzen, lag es nahe, das Gespräch mit dem Kappa FuturFestival zu suchen, das zu den europaweit anerkanntesten Events für elektronische Musik zählt. So entstand die Zusammenarbeit.
Trotz aller Bedenken steht fest: Diese Entwicklung lässt sich nicht aufhalten. Entscheidend ist der richtige Umgang damit. Es werden neue, kreative Formate entstehen, die beim Publikum Anklang finden werden - auch wenn dieser Wandel noch in vollem Gange ist.
Viele sehen in KI eine Bedrohung für die Musikbranche. Weshalb sprechen Sie von einer Chance?
Weil viele der diskutierten Probleme lösbar sind. Algorithmen werden mit großen Datenmengen trainiert. Es geht lediglich darum, diese Daten korrekt zu lizenzieren. Es gibt bereits Anbieter, die KI-Modelle für Audio und Video mit lizenziertem Material trainieren. Einige Künstler werden auch Wege finden, davon wirtschaftlich zu profitieren.
Dass sich die Haltung verändert, zeigen Entwicklungen wie die der Oscars, die neuerdings auch mit KI produzierte Filme zulassen. KI senkt die Einstiegshürden, insbesondere für Menschen, die keinen Zugang zu Studios oder teurer Ausrüstung haben. Dadurch wird Musikproduktion zugänglicher.
Welche Erkenntnisse gab es aus dem letztjährigen "AI Film Festival"?
KI eröffnet neue Wege des Erzählens. Viele Geschichten ließen sich ohne großes Budget gar nicht umsetzen. Eine Teilnehmerin hat beispielsweise die Geschichte ihrer Großmutter und die der "Desaparecidos" in Lateinamerika erzählt. Ein Film, der unter normalen Bedingungen sehr teuer gewesen wäre. Mithilfe von KI konnte sie das Projekt allein realisieren.
Auch die Qualität steigt rasant. Die Ergebnisse unterscheiden sich oft stark von dem, was wir gewohnt sind, aber genau darin liegt der Reiz. Ich glaube, in der Musik wird es ähnlich sein: Es werden neue Genres und Live-Formate entstehen, die wir uns heute noch nicht vorstellen können.
Was steckt hinter dem Projekt "Reply AI Studios"?
Wir investieren gezielt in Talente mit Kompetenzen in den Bereichen Audio und Video, um Unternehmen bei der Produktion von Spezialinhalten zu unterstützen. Oft scheitert Content an den Produktionskosten. Ein Beispiel: Viele Online-Shops zeigen nur statische Produktbilder, da die Videoproduktion aufwendig ist. Mithilfe von KI lassen sich solche Inhalte künftig jedoch komplett generieren, ohne dass ein Studio gebucht werden muss.
Dabei entstehen auch neue Berufsbilder, denn es werden viele verschiedene Tools eingesetzt. Wer beispielsweise mit Gesichtern arbeitet, muss wissen, wie sich Hauttexturen simulieren lassen. Durch die Kombination dieser Werkzeuge erzielen wir inzwischen visuelle und akustische Ergebnisse auf sehr hohem Niveau.
In welche Richtung entwickelt sich generative KI im kulturellen Bereich?
Vor allem in Richtung Echtzeitproduktion. Einige Videospiele gehen bereits heute in diese Richtung. Spiele sind letztlich Bildabfolgen, die auf Nutzereingaben reagieren. Beispiel Filme: Sie bestehen heute aus fixen Sequenzen, auch wenn sie KI-generiert sind. In Zukunft könnten sich Inhalte in Echtzeit generieren - wie ein endloser Traum, der sich durch die Reaktionen der Zuschauenden verändert. Das ist eine der nächsten großen Etappen.