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BGH-Urteile zu Influencer-Werbung: Die Reaktionen
10.09.2021 Erfolg für Cathy Hummels & Co.: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat eine Entscheidung gefällt, was bei InfluencerInnen unter Werbung fällt und was nicht. Digitalexperten begrüßen mehr Rechtssicherheit - warnen aber auch vor einem Glaubwürdigkeitsproblem im Influencer Marketing.
So reiche der Fakt, dass 'Tap Tags' verwendet wurden, laut BGH nicht aus, um eine Kennzeichnung erforderlich zu machen. 'Tap Tags' werden auf Fotos bei Instagram gesetzt und leiten NutzerInnen auf die Profile von Herstellern und Marken weiter. "Allein der Umstand, dass Bilder, auf denen das Produkt abgebildet ist, mit 'Tap Tags' versehen sind, reicht für die Annahme eines solchen werblichen Überschusses nicht aus", urteilten die BGH-Richter in Karlsruhe. "Bei einer Verlinkung auf eine Internetseite des Herstellers des abgebildeten Produkts liegt dagegen regelmäßig ein werblicher Überschuss vor." Als Werbung gekennzeichnet werden müssen Posts, wenn die InfluencerInnen eine Gegenleistung erhalten - in Form von Geld, dem beworbenen Produkt oder Geschenken.
Hintergrund sind Klagen des Berliner Verbandes Sozialer Wettbewerb , der gegen unlauteren Wettbewerb kämpft. Er hatte bei Posts der InfluencerInnen Cathy Hummels , der Hamburger Fashion-Influencerin Leonie Hanne und der Göttinger Fitness-Influencerin Luisa-Maxime Huss unzulässige Schleichwerbung beanstandet und in Klagen gegen sie Unterlassung sowie Abmahnkosten gefordert. Die InfluencerInnen bekamen nun jedoch vom BGH weitgehend Recht. Das Gericht folgt der Argumentation, dass eine Markennennung von InfluencerInnen nicht immer auf einen Auftrag zurückzuführen ist.
In einem Fall folgte der BGH jedoch der Klage des Verbandes: Eine Fitness-Influencerin hatte für einen Beitrag über Himbeermarmelade eine Gegenleistung vom Hersteller erhalten, den Beitrag jedoch nicht als Werbung gekennzeichnet. Für die Richter ist das ein Verstoß gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. Eine geschäftliche Handlung zugunsten eines fremden Unternehmens liege auch dann vor, wenn der Beitrag "nach seinem Gesamteindruck übertrieben werblich" sei, etwa weil er "ohne jede kritische Distanz allein die Vorzüge eines Produkts dieses Unternehmens in einer Weise lobend hervorhebt, dass die Darstellung den Rahmen einer sachlich veranlassten Information verlässt", heißt es in der Begründung.
BVDW: Urteile schaffen Rechtsklarheit
Der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) begrüßt die Urteile des Bundesgerichtshofs (BGH), dadurch werde mehr Rechtsklarheit geschaffen. "Jede Klärung zu dieser Thematik durch die Gerichte ist wichtig und notwendig. Der BGH legt mit seinen Urteilen fest, dass bei Werbung durch Influencer für andere Unternehmen insbesondere die Gegenleistung eines Dritten, beispielsweise in Form von Entgelt, zu einer kennzeichnungspflichten Werbung führt. Letztlich muss durch eine umfassende Würdigung des Einzelfalls festgestellt werden, ob ein Beitrag übertrieben werblich ist", schreibt der Verband in einem Statement. Denn noch bleiben Fragen offen: Wie genau hat eine Kennzeichnung auszusehen und wann genau ist etwas "übertrieben werblich"?Um dies zu klären, hält der Verband eine Selbstregulierung der Influencer-Marketing-Branche für nötig und sinnvoll. Für mehr Rechtssicherheit soll auch das Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht sorgen, das am 28. Mai 2022 in Kraft tritt und unter § 5a (4) eine Regelung zu kommerzieller Kommunikation in Bezug auf Influencer vorsieht. Aber auch diese Regelungen lassen laut BVDW noch Raum für Interpretation.
Auch der Digitalverband Bitkom begrüßt das Urteil. "Die heutigen Entscheidungen des BGH tragen zu mehr Rechtssicherheit bei und sorgen zugleich für mehr Transparenz für Followerinnen und Followern", sagt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder . "Der BGH macht aber auch deutlich, dass es bei der Bewertung der Werblichkeit einzelner Posts stets auf eine umfassende Würdigung der Einzelumstände ankommt. Die Werbewirtschaft befindet sich im Umbruch und die Bedeutung des Influencer-Geschäfts und der Werbung in sozialen Medien steigt rasant. Die heutigen Entscheidungen des BGH bringen mehr Klarheit für alle, die Teil dieser neuen Werbeökonomie sind."
Bazaarvoice: InfluencerInnen haben ein Glaubwürdigkeitsproblem
Aus einer BVDW-Umfrage unter 109 Social-Media- und Influencer-Marketing-Verantwortlichen in Unternehmen aus dem Jahr 2021 geht hervor, dass die Budgets für Influencer-Marketing-Kampagnen deutlich steigen: 14 Prozent der Befragten geben an, mehr als 100.000 Euro Budget pro Jahr einzuplanen. 11 Prozent der Befragten planen sogar über 250.000 Euro Budget pro Jahr ein.Das Marktzahlen-Archiv ist ein Premium-Service von iBusiness. Werden Sie Premium-Mitglied, um dieses Chart und viele tausend weitere abzurufen.
Jetzt Mitglied werdenDoch InfluencerInnen sollten es generell mit der Werbung nicht übertreiben und aufpassen, dass sie das Vertrauen ihrer Community nicht verspielen. Davor warnt eine Studie von Bazaarvoice , Anbieter von Lösungen für Produktbewertungen und User-Generated Content (UGC). Die Online-Umfrage wurde gemeinsam mit Savanta im Juli 2021 in sechs Ländern unter 9.098 Verbrauchern durchgeführt, darunter 1.500 aus Deutschland.
Demnach haben klassische InfluencerInnen und Prominente mittlerweile ein Glaubwürdigkeitsproblem:
- Laut der Umfrage halten lediglich 13 bzw. 15 Prozent der deutschen VerbraucherInnen sie für die vertrauenswürdigste Quelle von authentischen Inhalten.
- Besser schneiden Experten, wie beispielsweise Heimwerker oder Make-Up-Artists, ab (35 Prozent).
- Am meisten vertrauen deutsche Verbraucher jedoch Alltagspersonen (37 Prozent), denen keinerlei kommerzielle Absicht unterstellt werden kann, wenn sie über Produkte sprechen.
- Nur jeder fünfte Verbraucher nimmt bezahlte Posts als authentisch war.
- Die geltenden Gesetze und Vorschriften sind nur für ein Drittel Grund genug sind, um auf die Authentizität von Posts auf Social Media zu vertrauen.
- Nur 20 Prozent sagen, dass sich die Authentizität von Influencern in den letzten fünf Jahren verbessert hat.
- Es gibt einen klaren Wunsch nach stärkerer Regulierung: 80 Prozent wünschen sich eine Offenlegungspflicht für bearbeiteter Posts, wie sie seit kurzem in Norwegen gilt.