Schritt-für-Schritt-Anleitung: So planen Sie Ihre Content-Marketing-Strategie
01.07.2016 Intelligent Content, Adaptive Content, Datadriven Content, Customer Content-Experience: Die zunehmende Businessdynamik beim Thema Content-Marketing überfordert Unternehmen. Die Folge: Es wird irgendwelcher Content produziert. Aber erfolgreiches Content-Marketing funktioniert nur mit Strategie. Die folgenden Schritte zeigen, wie Unternehmen Content-Marketing strategisch und strukturiert angehen und warum der Weg rückwärts der bessere ist:
HANDLUNGSRELEVANZ
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Denn nahezu jeder, der irgendeine marketingbezogene Dienstleistung anbietet, bietet nun auch Content-Marketing an - oder zumindest offeriert er etwas, das er so nennt, in der Hoffnung, dass es ihm die Kunden als solches abkaufen. Frisch aufgewachte Unternehmen reagieren dann gerne etwas hektisch: "Wir haben keine Zeit zu verlieren! Wir brauchen umgehend den Top-Content-Aufschlag, sonst geraten wir ins Hintertreffen!" Dabei müssen Unternehmen, die Content-Marketing strategisch effektiv einsetzen wollen, sehr besonnen vorgehen und sich immer wieder vor Augen führen, welchen Status quo ihre Content-Qualität aktuell hat und welche kurz- und mittelfristigen Ziele realistisch sind. Was also tun, wenn's ernst wird mit Content-Strategie und Content-Marketing? Welche Inhalte sollte ein Unternehmen optimieren - und in welcher Reihenfolge? Ein Vorschlag aus den Niederungen der Content-Praxis:
Content-Strategie: Status quo, Kampagnenziele, Inhalte priorisieren und optimieren
Statt in (blinden) Aktionismus zu verfallen, müssen Unternehmen beziehungsweise deren verantwortliche Content-Strategen zügig aber besonnen und langfristig orientiert handeln - statt waghalsigem Sprung gilt es, einzelne Schritte abzuarbeiten. Einer der ersten ist es herauszufinden, welcher Content für das Unternehmen besonders wichtig ist. Denn: Diesen sollte man sich zuerst vornehmen.Jeder Content-Manager weiß: Man kann unmöglich überall gleichzeitig loslegen. Es ist daher sehr sinnvoll, sich zu einer strategisch strukturierten Reihenfolge durchzuringen. Sonst besteht die Gefahr, an zu vielen Baustellen gleichzeitig zu beginnen und letztendlich kaum etwas zu bewegen. Es ist wie bei der Restaurierung des Kölner Doms - ist die Arbeit erst einmal geschafft, geht's irgendwo von vorne los. Wohl dem, der dann eine Systematik der Dringlichkeiten aufgebaut hat, nach der er vorgehen kann.
Wo also anfangen? Mit einem fetten Aufschlag in Form einer aufsehenerregenden Content-Marketing-Kampagne? Oder lieber mit einem Website-Relaunch voller redaktioneller Beiträge? Oder ganz woanders? Aber wo?
Klarheit schaffen: Analyse des Content-Bestands
Einen klareren Überblick erhält man, wenn man mit einer Tabelle arbeitet, wie der aus dem Buch Die Content-Revolution im Unternehmen - Neue Perspektiven durch Content-Marketing und -Strategie , das Klaus Eck , Gründer der Content-Marketing-Agentur d.Tales , und ich geschrieben haben. Darin werden verschiedene Beispiele von Content-Arten aufgelistet und jenen Touchpoints zugeordnet, an denen sie im Einsatz sind.Bestandsanalyse: Touchpoints und der Einsatz verschiedener Content-Arten
Wenn anhand einer solchen Bestandsanalyse die einzelnen Content-Angebote mit den Touchpoints kombiniert werden, ist bereits ein wichtiger Schritt gelungen: Die Tabelle stellt das eigene Content-Universum dar. Der Ehrlichkeit halber sei hinzugefügt, dass eine solche Tabelle in der Praxis meist weitaus voluminöser ist. Der Kommunikationsberater 4youandyourcustomers
zum Beispiel zählt rund 130 Kontaktpunkte, über die Konsumenten in Kontakt mit Unternehmen treten.
Aus der Tabelle lässt sich ableiten und erkennen, ob die Kontaktpunkte ausreichend mit passendem Content ausgestattet sind. Womöglich kommt man auch Inhalten auf die Spur, die geradezu inflationär eingesetzt werden. In diesem Beispiel ist es die Broschüre, die an zehn Kontaktpunkten angeboten wird.
Welche Inhalte sind für das Unternehmen am wichtigsten
Denn wer kennt solche Content-Erlebnisse nicht: Man nimmt eine Broschüre von der Messe mit, liest auf der Website den nahezu identischen Inhalt, lädt die Broschüre versehentlich noch einmal runter und findet sie dann, nach dem Kauf, ein weiteres Mal im Produktkarton. Ein strategisch fataler Fehler: Vom ersten Interesse bis nach dem Kauf, also während aller Phasen der Customer Journey, bekommt der Kunde ein und denselben Content serviert. Diese Lieblosigkeit fällt natürlich auf - und ist somit von Nachteil für die Kundenbindung.Schritt 1: Inhalte nach Content-Phasen sortieren
Eine Bestandsanalyse kann sehr heilsame Erkenntnisse zutage fördern, aber welche Content-Arten zuerst in Angriff genommen werden müssen, ist bis dato noch eine unbekannte Variable. Um dies herauszufinden, sollten im ersten Schritt die Inhalte in die folgenden vier Content-Phasen sortiert werden:- Kennenlern-Content: Der Konsument lernt die Marke oder das Unternehmen kennen, wird neugierig.
- Neugierde-Content: Der Konsument hat Interesse. Diese Inhalte befriedigen seine Neugier und helfen ihm beim Abwägen bei der Produktauswahl.
- Entscheidungs-Content (vor und nach Kauf/Entscheidung): Inhalte kurz vor und nach der Kaufentscheidung. Sie begleiten das Produkterlebnis. Normalerweise wird rigide zwischen Content vor und nach dem Kauf getrennt. Ich nehme mir hier die Freiheit, in dieser Phase Content rund um den Kauf zu versammeln, als jenen für davor und danach. Denkt man an sein eigenes Verhalten als Käufer: Die Aufmerksamkeit ist sowohl vor als auch nach dem Kauf besonders hoch, womöglich ist man sogar aufgeregt. Der Kaufakt als solches gehört zwar in der Regel in diese Phase, aber er ist kein sinnvolles Element, um Content-Phasen zu trennen.
- Loyalitäts-Content: Für Kunden, die nach dem Kauf Stammkunden werden oder bleiben sollen. Im Idealfall werden sie dank Top-Content zu gut informierten Markenbotschaftern, die bei anderen potenziellen Kunden in der Kennenlern-Phase eine wichtige Rolle spielen.
Dreh- und Angelpunkt dieser Phasen ist die Unternehmensmarke. Sie fixiert den Charakter von Unternehmen und Produkt. Wie eine Sonne beeinflusst sie mit ihren Botschaften sämtliche Inhalte aller Kanäle, in allen Phasen der Customer Journey. Das Ergebnis könnte dann so aussehen:
Diese Aufteilung ist wichtig, weil die unterschiedlichen Funktionen der einzelnen Content-Arten deutlich werden. Sie hat direkte Auswirkungen auf deren inhaltliche Aufbereitung - und auf die Choreografie, auf das richtige Zusammenspiel der einzelnen Content-Arten.
Das Sonnensystem könnte zum Beispiel zu einem hochpreisigen Kühlschrank gehören. Es gibt aber viele Varianten - je nach Produkt, Unternehmen oder Ziel. Um das deutlich zu machen, bekommen unterschiedliche Gruppe ein anderes Produkt zugewiesen, für das ein Content-Sonnensystem aufgebaut werden sollte: etwa für eine Zahnpasta, eine Drohne oder eine Uhr für 50.000 Euro.
Die Ergebnisse sind jedes Mal aufschlussreich: FMCG-Produkte (= fast moving consumer goods, also "schnelldrehende" Produkte) wie die Zahnpasta haben in der Entscheidungs- und Loyalitätsphase vergleichsweise wenige Inhalte (dafür in der Kennenlern-Phase umso mehr). Erklärungs- und argumentationsbedürftige Produkte hingegen - wie eine Maschine oder ein Luxusgut - haben deutlich mehr Inhalte für die Entscheidungs- und Loyalitätsphase. Das bedeutet: Jeder Produkttyp, jedes Ziel (z. B. Mitarbeiterakquise) bräuchte sein eigenes Content-Sonnensystem, um den Konsumenten während seiner Content Journey optimal zu begleiten.
Natürlich bleibt den Content-Managern überlassen, mit wie vielen Phasen sie arbeiten wollen, wie sie diese benennen und auf welcher Theorie ein solches System aufbaut. Ich persönlich habe mit diesem simplen Vorgehen gute Erfahrungen gemacht und halte es hier mit Robert Rose
, einem Chief Strategy Officer des Content Marketing Instituts
. Er forderte auf dem Content-Marketing-Kongress Oktober 2015 in Frankfurt: "Bitte seid nicht zu detailversessen, niemand kann eine Customer Journey perfekt evaluieren. Sucht euch lieber die wichtigsten Touchpoints und optimiert deren Inhalte konsequent."
Schritt 2: Optimieren unterschiedlicher Content-Arten
Sind die Inhalte in die Phasen sortiert, kann man sich nun der eigentlichen Frage widmen: Welche Content-Arten sollten zuerst optimiert werden? Ein akutes, riesiges Problem gibt die Antwort: die schwindende Loyalität der Verbraucher. 44 Prozent aller Herstellermarken verlieren laut GfK, Serviceplan und der Markenverband pro Jahr über 30 Prozent ihrer Stammkunden.Das bedeutet: Zuerst müssen jene Inhalte optimiert werden, welche die Loyalität vorbereiten und fördern. Die Inhalte also, die auf besonders verbindliche Weise überzeugen, binden und Vertrauen schaffen. Das klingt unsexy, aber so ist es nun einmal: Es handelt sich um Content-Arten wie Onlineshop-Infos und Bedienungsanleitungen. Inhalte aus der Entscheidungs- und Loyalitätsphase. Warum sind diese "produktnahen" Inhalte so wichtig?:
- Wer Kunde oder Markenbotschafter wird, kommt an diesen Inhalten nicht vorbei. Es sind jene Inhalte, die am stärksten genutzt werden. Jeder einzelne Kunde kennt sie.
- In keiner Phase der Customer Journey ist das Interesse der Verbraucher höher. Diese Content-Angebote sind für den finalen Eindruck verantwortlich. Sie sind maßgeblich am Gelingen des Einkaufserlebnisses beteiligt und eröffnen den Weg zur loyalen Stammkundschaft.
- Ihre Qualität führt zu direkten Rückschlüssen auf die Qualität des Produkts. Ist der Content schlecht, mindert das die Produktqualität - etwa miese Telefonberatung oder maschinell übersetzte Gebrauchsanweisungen. Inhalte wie diese gehören quasi zum Produkt.
- Weil sie in nicht allzu ferner Zukunft die dominierende Rolle im Konsumentenkontakt einnehmen werden: Wenn Bots und das Internet of Things unseren Alltag erleichtern, brauchen Verbraucher weniger geckige Content-Marketing-Offerten der Kennenlernphase, sondern intelligente Auswahl- und Nutzungsberatung in Topqualität. Content, der das Leben erleichtert. Die Reihenfolge der Customer Journey wird sich dann umdrehen: Produktinfos machen neugierig und dienen als Tor in die Erlebniswelt der Marke.
Der wichtigste Content (chronologisch gesehen) ist folglich jener, der im aktuellen Content-Marketing-Getöse nahezu unterzugehen droht: etwa Schulungen für Call-Center-Mitarbeiter. Help-Content während des Bestellprozesses. Oder Geschichten, mit denen Vertriebsmitarbeiter und Verkäufer beeindrucken können. Inhalte also, die den Konsumenten an die Hand nehmen und ihm das beruhigende Gefühl geben, dass er gleich die richtige Wahl treffen wird. Dazu kommen Kunden-Mails, Telefonate mit Mitarbeitern, in einer Produktschachtel beigelegte Informationen. Und natürlich alle Loyalitäts-Inhalte, die aus Kunden Stammkunden und Markenbotschafter machen.
Das Prinzip "von innen nach außen" entspricht den Überzeugungen der Markenberatung BrandTrust . Sie betont, dass eine Marke nur von innen nach außen wachsen kann - und niemals umgekehrt: "Eine Marke kann ihre Wirkkraft nur dann entfalten, wenn sie im Unternehmen gelebt und von innen nach außen getragen wird: tagtäglich und an allen Kontaktpunkten. Ansonsten hat man zwar ein passendes Erscheinungsbild, aber noch lange keine starke Marke!" heißt es in dem Artikel Anreizsysteme: So sorgen Sie dafür, dass Ihre Mitarbeiter die Marke leben . Gerade im Marken- und Content-Management gibt es sehr viele Parallelen, die noch nicht ausreichend erforscht sind.
Schritt 3: Content-Optimierung und wie man es nicht machtErst nachdem diese Content-Arten optimiert sind, sollte man sich den Inhalten der anderen Phasen widmen: Der Content-Optimierung. Um diesen Schritt würden die meisten Content-Manager am liebsten einen großen Bogen machen und gleich mit einer Content-Marketing-Kampagne loslegen, aber das ist eher gefährlich. Denn sind wir mal ehrlich, die Welt ist voller Beispiele, die belegen, wie stiefmütterlich gerade diese Inhalte behandelt werden:
- Produktbeschreibungen in Onlineshops enthalten eher werbliches und schlampig formuliertes Geschwurbel - und lassen eher Verdacht statt Vertrauen aufkeimen.
- Ein Verkäufer im Laden hat nicht mehr zu bieten, als Preis und Lieferzeit vorzulesen - nachdem er minutenlang wortlos mit dem Zeigefinger im Katalog herumgestochert hat. Eine echte Sünde in Zeiten, in denen die Kunden im Schnitt bereits 67 Prozent ihrer Customer Journey hinter sich haben und bestens Bescheid wissen (Studie SiriusDecisions
).
- Das jüngst gekaufte Produkt wird in einem fad-beigen Päckchen geliefert, aus dem unzählige unnötige Coupons (für Wein- und Kosmetika-Shops) flattern, die der frisch gebackene Kunde entsorgen muss. Start-ups wie Glossybox hingegen nutzen die hochsensible Aufmerksamkeit während des "Unboxings", um mit guter Content-Qualität einen dauerhaft positiven Eindruck zu hinterlassen.
- Bestellformulare ohne Help-Content. Weil er in den FAQs zu finden wäre, etliche Klicks entfernt.
- Die sorgsam formulierte Mail eines jüngst gewonnenen Kunden wird mit klobigen "Schema F"-Textbausteinen erwidert.
- Ein Mitarbeiter, der am Telefon keine Auskunft geben kann, weil die Kollegin Mittagspause macht. Was man hierzu wissen sollte: Der direkte Kundenkontakt kann das Image der Marke stärker beeinflussen als ein TV-Spot oder ein Werbeplakat, wie das Beratungsinstitut artop der Humboldt Universität Berlin in einer Studie
nachgewiesen hat.
- Die Gebrauchsanweisung, die automatisiert oder schlecht übersetzt auf labbrigem Papier angeboten wird. Sie wirkt eher abschreckend als anziehend. Was nützt das beste Produkt, wenn es keiner versteht? Der Weltmarktführer (!) für Reinigungstechnik Kärcher etwa gehört zu den zahlreichen Unternehmen, die hier meiner Meinung nach Optimierungsbedarf nötig haben.
Das alles sind zusammengefasst: riesige, vertane Chancen, um mit Top-Content eine starke Loyalität einzuleiten!
Content-Marketing: Der Erfolg steht und fällt mit der Gebrauchsanweisung
Warum werden ausgerechnet jene Inhalte, die einen Konsumenten in die Loyalitätsphase überführen können, nicht gehegt und gepflegt? Was sollen, bitteschön, aufwändig produzierte Content-Marketing-Kampagnen ausrichten, wenn die Verbraucher, endlich erfolgreich neugierig gemacht, spätestens während der Entscheidungsphase bitter enttäuscht werden? Es kann nicht sein, dass jene Inhalte, die letztendlich "den Ball ins Tor schießen" sollen, von dermaßen schwacher Kondition sind. Sie brauchen mindestens die gleiche Power wie ihre Kollegen aus der Kennenlernphase.
Ich bin mittlerweile der Überzeugung: Unternehmen, die Content-Marketing richtig verstanden haben, erkennt man an der Qualität ihrer Gebrauchsanweisungen.
Deshalb muss im ersten Schritt mit der Optimierung genau jener Inhalte begonnen werden, die den Konsumenten überzeugen sollen, Kunde zu werden und zu bleiben. Oder, wenn er schon nicht kauft, zumindest zu einem Verbraucher wird, der deiner Marke wohlgesonnen ist. Arbeiten Sie sich von innen nach außen vor. Der Weg von außen nach innen führt nur zu enttäuschten Konsumenten.
Kurzum, die Zukunft des Content-Erfolgs wird rückwärts erreicht!
iBusiness-Autorin Doris Eichmeier arbeitet als Content-Strategin, Content-Managerin und Content-Produzentin. Zu ihren Kunden gehören BrandTrust, die Eck Consulting Group / d.Tales, Serviceplan und C3. Ihr Wissen gibt sie am Master-Studiengang Content-Strategie am Joanneum Graz weiter. Der Fachbeitrag ist zuerst bei dem Onlinemagazin Zielbar erschienen.