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Risikobarometer Banken: Welche Geschäftsbereiche sie in Zukunft noch dominieren können
27.08.2014 Den Banken geht es wie dem Offlinehandel. Das Internet, innovative Start-ups und Social Media leiten langsam ihr Sterben ein - zumindest wenn man den düsteren Prognosen glaubt, die durchs Netz geistern. iBusiness hat die These der klassischen Bankenwirtschaft auf den Prüfstand gestellt und die kritischsten Geschäftsbereiche identifiziert.
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"Das Internet ist dabei der Durchlauferhitzer, es bringt neue Geschäftsmodelle hervor, macht gleichzeitig alle Angebote vergleichbar und damit den Markt extrem transparent", beobachtet Gerrit Seidel



Die Finanzinstitute hinken der Transformation hin zu digitalen Banken, die den Kunden in den Mittelpunkt stellen, hinterher. Ihnen droht der Bedeutungsverlust, wenn sich immer mehr Kunden von ihnen abwenden und alternative Services von jungen, internetaffinen Finanzunternehmen nutzen. Onlinemedien wie Handelsblatt.de




Die Bankenkrise lässt sich nicht wegreden
Unbestritten ist, dass die klassischen Banken mit den Veränderungen am Markt zu kämpfen haben. Angesichts der Zahlen der Europäischen Zentralbank (EZB)
muss man sogar von einer Konsolidierung sprechen: Im Jahr 2013 wurden ganze 269 Banken in Europa geschlossen oder fusioniert. Damit schrumpft der Markt um vier Prozent. Auch in Deutschland ändert sich der Bankensektor. Hier meldet die EZB im Jahresvergleich einen Rückgang um 31 Finanzinstitute. Ähnlich schnell schrumpfen die Filialnetze der Banken. In Deutschland wurden zwischen 2003 und 2013 rund zwölf Prozent der Filialen, insgesamt mehr als 4.500 geschlossen, besagt eine Studie
von KFW Economic Research.
Der offensichtlichste Grund für diese Entwicklung sind Kosteneinsparungen vor allem für Immobilien und Personal. Es werden dadurch Überkapazitäten abgebaut - denn wie viele Leute haben schon nachmittags zwischen 13 und 14 Uhr Zeit, am Schalter Geld abzuholen? Darüber hinaus führen Zusammenschlüsse von Banken wie die der Commerzbank
und der Dresdner Bank zu Filialschließungen. Hinzu kommt: Dank innovativer FinTech-Start-ups kommt von allen Seiten Konkurrenz auf die Banken zu, die ihnen etablierte Geschäftsmodelle streitig machen will und gleichzeitig neue Geschäftsmodelle entwickelt, die die Banken verschlafen haben.
Die Luft auf dem Finanzmarkt wird enger
Zehn Aussagen: Was Kunden wollen |
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Daniel Bödger, Geschäftsführer von BankingCheck.de hat Folgendes beobachtet: "Es sind nicht unbedingt die Konzerne, die den Banken Konkurrenz machen werden, sondern die Kunden selbst fordern ja neue und innovative Lösungsansätze". Bain & Company hat diese in der Studie Auf dem Weg zur Retail-Bank der Zukunft ![]() ![]()
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Allen voran die großen US-Internetkonzerne streben in die Finanzbranche vor:
- So bietet Amazon
über Amazon Payments einen eigenen Online-Bezahlservice und darüber hinaus die Amazon Visa-Karte an. Mit einer Wallet App versucht der Konzern seit Juli dieses Jahres in den MPayment-Markt einzusteigen. Darüber hinaus plant er für die USA ein Kreditkartenlesegerät à la iZettle
.
- Facebook
kann bisher mit einer Banklizenz in Irland aufwarten.
- Google
dagegen besitzt in Großbritannien eine Banklizenz. In den USA bietet der Suchmaschinenkonzern darüber hinaus die Google Wallet und eine Geldkarte.
- Ebay
hat mit Paypal
eine weltweit unverzichtbare Onlinepayment-Lösung, mit der sich Nutzer untereinander neuerdings Geld schicken können - als Ersatz für die klassische Banküberweisung. Wie das Handelsblatt
berichtet, wolle Ebay Paypal in Kürze abspalten. Der von Ebay erhoffte große Vorteil eines solchen Schrittes: Ebay-Konkurrenten könnten ihren Kunden dann die Zahlungsabwicklung per Paypal anbieten.
- kostenlose digitale Girokonten (Avuba
, Number26
),
- Social-Banking (Fidor-Bank
),
- Geldanlage/Kredite (Bergfürst, Kreditech
, Auxmoney
),
- Peer-to-Peer-Kredite (Lendstar
, Cringle
),
- mobile Kontenverwaltung (Numbrs
, Finanzblick
),
- Geldüberweisungen an Freunde (Yapital
, Payfriendz
),
- Geld günstig ins Ausland überweisen (Transferwise
),
- Mobile Payment (siehe iBusiness: Mobile Payment: Welche Lösungen 2014 nicht überleben werden
) und
- Beratung (Bankingcheck
, Kreditvergleich24
, Check24.de
)
Experten fordern grundlegende Veränderungen bei den Banken
Der wohl größte Indikator für die Krise der Banken sind die zahlreichen aktuellen Studien, die die Probleme analysieren, Gründe suchen, Zukunftsstrategien formulieren und die Dringlichkeit der Transformation der Banken unterstreichen. Zum Beispiel die Trendstudie Bank und Zukunft 2014


Eine Roland-Berger-Umfrage


Die Banken sind sich ihrer Schwächen und Konkurrenten also bewusst. Dennoch haben sie bisher nicht erfolgreich eingelenkt. Zwar gibt es erste Bestrebungen, wie das wenig erfolgreiche Online-Bezahlverfahren Giropay












Struktur behindert die Modernisierung
Bei vielen der neuartigen Services tun sich die klassischen Banken schon allein aus strukturellen Gründen schwer. Schließlich werden ihre Tätigkeiten stark überwacht und reguliert. Zum Beispiel sind die Sicherheitsanforderungen in Deutschland höher als bei Zahlungsanbietern in anderen Ländern; ein Beispiel ist Paypal mit Sitz in Luxemburg. Deren Transaktionen sind, da sie zum Beispiel nur mit Passwort und Benutzername gesichert sind, angreifbarer und die Verlustrate sei entsprechend höher, wissen Branchenkenner. "Eine solche Verlustrate können sich Banken nicht leisten", sagt Matthias Hönisch
, Zahlungsverkehrsexperte des Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken
.
Hinzu kommt die Authentifikationspflicht, sagt er, der die deutschen Banken im Gegensatz zu anderen Anbietern bei jeder Kontoeröffnung durch einen Kunden nachkommen müssen. Weil unter anderem deutsche Kreditinstitute durch sehr strenge Regulierungen im internationalen Vergleich benachteiligt seien, fordert Hönisch die EU auf, solche Regulierungen europaweit durchzusetzen. Auch Social Banking dürfte für deutsche Banken schwer zu realisieren sein, weil die Bankenaufsicht das hohe Risiko bemängeln würde.
Das Ziel: Sicherheit vermarkten
Die Sicherheit ist ein für die Banken wichtiges Thema, das in der allgegenwärtigen Diskussion um die FinTech-Start-ups meist unter den Tisch fällt. Zwar diskutieren die Medien auf der einen Seite über unzählige tolle Finanzapps - verknüpfen dies aber oftmals nicht mit den fast täglichen Meldungen über gehackte Passwörter und Zugangsdaten. Der Vertrauenskrise in die Banken dürfte eine mindestens genauso große Vertrauenskrise in die Internetsicherheit gegenüberstehen. Doch weder die Medien beleuchten dies besonders kritisch, noch nutzen die Banken diese Vorlage als Marketingstrategie aus.
"Eine Bank kann auch immer eine gewisse Sicherheit bieten", die Finanz-Start-ups nicht im gleichen Maße genießen, so Hönsich. Zwar sieht er nach der NSA-Krise tatsächlich einen Rücklauf der Bankkunden zu den etablierten deutschen Geldinstituten, aber der könne stärker sein. "Die Vermarktung des Datensicherheitsaspekts steckt noch in den Kinderschuhen. Aber das werden wir in Zukunft massiv vorantreiben müssen."
Und das ist dringend nötig, denn wie die folgende Tabelle zeigt, dringen FinTech-Unternehmen in fast alle klassischen Bereiche der Banken vor - mit unterschiedlichem Erfolg:
Finanzbereich | Gefahrenstufe der Banken | Warum ist das so? |
---|---|---|
Anlageberatung | Online-Vergleichsportale, Finanznews-Apps und Crowdsourcing werden in immer mehr Fällen die Anlageberatung der Banken ersetzen. Denn sie können drei Dinge, die eine Bank nicht kann: unabhängig, ortsungebunden und zeitlich flexibel agieren. Das bedeutet aber nicht unbedingt, dass die meisten klassischen Banken hier verlieren. Denn wenn sie die besten Anlageprodukte anbieten, können sie den Kunden trotzdem gewinnen, auch wenn sie sich vorher nicht beim eigenen Berater informiert haben. | |
Firmenkunden-Geschäft | Während es bei Privatkunden meist um kleinere Geldbeträge geht, können sich Businesskunden aufgrund der Transaktionshöhen kaum Unsicherheiten pbei ihren Geldgeschäften leisten. Daher wird der größte Teil des Firmenkundengeschäfts weiterhin in der Hand der klassischen Banken bleiben. Im Zweifel ist Usability und Social Media für sie weniger wichtig wie für den Endkunden. Zusätzlich werden sich aber einige Unternehmen in Zukunft ihre Kredite bei Online-Plattformen holen. Vor allem bei Start-up-Unternehmen sind sie beliebt. | |
Girokonto/ Tagesgeld | Girokonten sind für junge Finanzunternehmen ein eher unlukratives Geschäftsfeld, sagt Rudolf Linsenbarth![]() ![]() ![]() ![]() ![]() | |
Kreditgeschäft | Selbst wenn die Anlageberatung zunehmend aus den Händen der Banken verschwindet, haben sie doch die Chance, ihre Umsätze im Kreditgeschäft zu retten. Wenn sie die besten Kredite anbieten, können sie auch Kunden anlocken, die bisher kein Girokonto bei ihnen besitzen. Wichtig hierfür: Sie müssen umfassende Informationen zu ihren Produkten bereitstellen und transparent sein, damit beim Kunden nach der Onlinerecherche keine Fragen offen bleiben. Außerdem ist es wichtig, den Kunden, die keine Filiale betreten wollen, Onlinebuchung anzubieten - zum Beispiel mithilfe der Videoauthentifikation. Gleichzeitig birgt das Internet im Kreditgeschäft aber das Risiko, dass die eigenen Kunden sich ihre Kredite woanders aufnehmen - sei es bei der Nachbarbank, beim Online-Start-up, dem Crowdsourcing-Portal oder der Peer-to-Peer-Plattform. | |
Kreditkarte | Dass (fast) jeder dahergelaufene Anbieter eine Kreditkarte auf den Markt bringen kann, ist nichts Neues. Doch bisher haben die Kreditkarten von Payback ![]() ![]() ![]() ![]() | |
Mobile Payment am POS | Mobile Payment am POS ist ein gutes Beispiel dafür, wie Anbieter ihren eigenen Markt überschätzen. Mit Sätzen wie 'Jetzt muss nur noch der Kunde mitmachen' versuchen sie eine Bezahlart zu hypen, die offensichtlich niemand will, weder von Internet-Start-ups noch von klassischen Banken. Immerhin haben in der Theorie die Banken die Nase vorn. Laut einer Studie vom Steinbeis Research Center ![]() ![]() | |
Onlinebanking | Das Onlinebanking ist eng mit dem Girokonto verknüpft und damit ebenfalls ein wenig lukratives Ankerprodukt der Banken. Laut einer Umfrage von Boniversum ![]() ![]() ![]() | |
Onlinepayment | Onlinepayment liegt schon jetzt fast komplett in den Händen von Internetunternehmen. Bisherige Versuche der klassischen Banken, sich hier zu etablieren, zum Beispiel mit Giropay, waren wenig erfolgreich. Sollten die Banken aber gemeinschaftlich eine Paypal-Alternative herausbringen, sind die Chancen dieser Lösung recht gut. "Die Banken sind gegenüber Paypal im Vorteil, da sie bereits über Assets verfügen, um echte Mehrfaktor-Authentifizierungen durchzuführen", erläutert Rudolf Linsenbarth. "Denn die wird der Gesetzgeber über kurz oder lang einfordern, wie man am von der Europäischen Zentralbank geplanten Bezahlverfahren SecuRePay sieht" (iBusiness berichtete: Die Uhr tickt: Die Angst der Onlinehändler vor SecuRePay ![]() | |
Private Banking/ Vermögensverwaltung | Die Banken teilen sich den Markt der Vermögensverwaltung seit jeher mit unabhängigen Vermögensverwaltern. Darüber hinaus kommen nun ganz vereinzelt neue Player aus dem Internet auf den Markt: FinanceScout24 bietet mit dem Managed Depot ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() | |
Retailgeschäft | Das Filialgeschäft der klassischen Banken wird sich definitiv ändern, weil die Banken Kosten sparen wollen, gleichzeitig aber das Service-Niveau anheben möchten (siehe Video oben) und weil ein Großteil der Kunden kaum noch regelmäßig den direkten Kontakt zum Bankberater wünscht. Wird die Nutzung von modernen SB-Geräten mit Internetfunktionalität hinzugezählt, kommen digitale Interaktionen in den fortschrittlichsten Ländern der Welt derzeit auf 85 Prozent. In naher Zukunft werden es 95 Prozent sein, sagt Bain & Company. Dennoch haben Filialen weiter Bestand, schließlich wird Kundenbindung und persönliche Kundenansprache ein wichtiger Differenzierungsfaktor der klassischen Banken werden. Aber die Rolle der Filialen ändert sich. Nach dem Szenario der Bain-Studie werden Filialnetzwerke rund um Flagship-Filialen ausgerichtet, die für komplexe Produkte die Beratung durch Experten anbieten. Um die Flagships herum befinden sich Satelliten-Filialen mit begrenzter Funktionalität. Über Videochats werden diese mit den Spezialisten der größeren Flagship-Filialen oder des Kundenservice-Centers verbunden. | |
Spareinlagen | Nur Unternehmen mit Bankerlaubnis dürfen Spareinlagen, also unbefristete Geldanlagen, anbieten. Das schließt automatisch die meisten Start-ups von diesem Geschäft aus. Ein weiteres Argument für die klassischen Geldhäuser ist das Sicherheitsbedürfnis der Kunden bei ihren Spareinlagen: Laut einer Umfrage von Forsa im Auftrag vom Softwarehersteller SAS ![]() ![]() | |
Wallet-Lösungen | "Wallet-Lösungen werden sicherlich weltweit weiter an Popularität gewinnen", ist sich Gerrit Seidel sicher. Aber bisher ist der Markt noch nicht verteilt, unter anderem Goggle und Apple ![]() ![]() ![]() ![]() |
Die Tabelle zeigt: Die Banken werden in fast allen Bereichen Marktanteile an jüngere Unternehmen verlieren. Da dies zum Teil lukrative Bereiche sind, in denen die Konkurrenten sich breitmachen, wie Onlinepayment oder Kreditkarte, sind die finanziellen Einbußen groß. Dadurch "wird es zu weiteren Konsolidierungen kommen und es werden noch mehrere etablierte Banken vom Markt verschwinden, ähnlich wie jüngst die portugiesische Banco Espirito Santo", sagt Gerrit Seidel.
Es wird vor allem diejenigen treffen, die die digitale Transformation mit mehr Kundennähe nicht schaffen. Dennoch wird es eine Sparkasse oder eine Volks- und Raiffeisenbank in zwanzig Jahren mit großer Sicherheit noch geben. "Die klassischen Banken haben das Aufkommen der Onlinebanken überlebt, selbst wenn sie dabei Marktanteile abgeben mussten", erklärt Rudolf Linsenbarth. "Das wird in der aktuellen Situation wieder passieren. Auch wenn einige Banken vom Markt verschwinden werden."
Sicherheit darf nicht der einzige Trumpf sein
Außerdem darf man den Druck durch die 3.500 FinTech-Start-ups nicht überbewerten. Auf der einen Seite existieren sie weltweit, auf der anderen Seite ist die Zahl der Start-up-Insolvenzen naturgemäß sehr hoch. "Der Trend der FinTech-Gründungen wird sicher mittelfristig fortgeschrieben", glaubt Gerrit Seidel. "Viele dieser Firmen werden vielleicht wieder scheitern, es kann aber auch ein ganz neuer großer Player darunter sein, der heute noch unbekannt ist."
Bisher ist es vor allem die Sicherheit, die die klassischen Banken als Trumpf in der Tasche haben. Auf Dauer werden sie ihre Kunden aber damit nicht an sich binden können. Denn Sicherheit ist kein Hexenwerk. Wenn aus Start-ups etablierte Unternehmen werden, die Erfahrungen gesammelt und ein finanzielles Rückgrat angespart haben, werden auch sie die Sicherheitsfrage kompetent beantworten - wenn sie das nicht ohnehin schon können. Deshalb müssen sich die Banken in den Punkten Service, Kundennähe, Einfachheit, Online-Affinität und Unabhängigkeit den Start-ups stärker annähern. Damit sie gegenüber dem Kunden mehr als ein gutes Argument für ihre Leistungen vorweisen können "Ansonsten", warnt Daniel Bödger, "bleibt der Bank nur der klassische Zahlungsverkehr im Hintergrund - sprich Bargeld abheben und Überweisungen."